Archiv für den Monat: November 2014

War die „Sex-Pol“ eine Bewegung?

von Andreas Peglau

Zum besseren Verständnis dieses Textes empfiehlt es sich, vorab Die deutsche „Sex-Pol“ zu lesen.

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Noch bevor Reich 1939 vom norwegischen Exil ins US-amerikanische wechselte, war es zum endgültigen Scheitern dessen gekommen, was Reich »Sex-Pol-Bewegung« genannt hatte. Die Gründe dafür lagen wohl ebenso in den Schikanen norwegischer Behörden und den Diffamierungen durch verschiedene Medien und Wissenschaftler des Landes wie in internen Zwistigkeiten und elitären Vorstellungen Reichs. So wollte er nur durch ihn charakteranalytisch Geschulte als »Kerntruppe« der Bewegung gelten lassen. Bereits als Reich im Sommer 1937 das Arbeitsprogramm für das darauf folgende Jahr plante, fand die „Sex-Pol“ keine Erwähnung mehr.

Aber verdient das, was da zerfiel, wirklich den Titel „Bewegung“?

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Die deutsche „Sexpol“: Massenorganisation oder »kleine Splittergruppe«? Zur Glaubwürdigkeit Wilhelm Reichs

von Andreas Peglau

Zum besseren Verständnis dieses Textes und dessen, was Reich „Sexpol“ nannte, empfiehlt es sich, vorab Die Einheitsverbände für proletarische Sexualreform und Mutterschutz zu lesen.

 

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Schon während seiner Lebenszeit war Reich das Opfer intensiver Verleumdungen. Aufgehört haben sie nie. Noch heute bestimmen sie hochgradig das über ihn verbreitete Bild. Weiterlesen

Schlangenbader Str. 87, 14197 Berlin: das Geburtshaus der Körperpsychotherapie

von Andreas Peglau

Im November 1930 zog Reich von Wien nach Berlin. Die deutschen Psychoanalytiker, schreibt er dazu, »waren in sozialen Fragen weit fortschrittlicher als die Wiener. Die Jugend atmete freier«. Er erhielt auch hier berufliche Anerkennung, wurde erneut Lehranalytiker, außerdem Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Insbesondere der Kreis »linker« Analytiker um Otto Fenichel, zu dem auch Edith Jacobssohn und – zeitweise – Erich Fromm gehörten, ermöglichte ihm den Meinungsaustausch unter weitgehend Gleichgesinnten.

Reichs Ruf als potenzieller Querulant, der die Aufrechterhaltung des erwünschten psychoanalytischen Images gefährdete, war ihm freilich nach Berlin vorausgeeilt.
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Die Einheitsverbände für proletarische Sexualreform und Mutterschutz und Wilhelm Reichs tatsächliche Rolle in der deutschen „Sexpol“

von Andreas Peglau

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KP-Massenorganisationen

Durch die Schaffung von Massenorganisationen versuchte die KPD ab 1924, breitere Bevölkerungskreise zu erreichen und sie gleichzeitig der SPD abspenstig zu machen. Mit dieser Zielsetzung entstanden beispielsweise die »Kampfgemeinschaft der Arbeitersänger«, die »Arbeitermandolinisten« oder der »Verband Proletarischer Freidenker Deutschlands«. Das ging nicht immer einher mit großen Mitgliederzahlen, was vielfach kaschiert wurde durch »korporative Mitgliedschaften«: weitere Vereine traten als Mitglieder ein – was die Mitgliederzahlen auf dem Papier emporschnellen ließ. Weiterlesen

Keine „Vernichtungsaktion“ sondern heimliche Kooperation. Reichs „Charakteranalyse“ und der Internationale Psychoanalytische Verlag

von Andreas Peglau

Bereits in Wien hatte Reich damit begonnen, in die Psychoanalyse das einzubringen, was er als Charakteranalyse bezeichnete. Der Grundgedanke dahinter war, dass es nicht nur einzelne neurotische Symptome gibt, sondern auch eine grundsätzliche Art, wie wir dem Bewusstwerden von Unbewusstem Widerstand leisten: unseren Charakter. Nach Reichs Auffassung würde der psychisch gesunde Mensch flexibel, situationsangemessen fühlen und handeln, wäre also eben gerade nicht auf das festzulegen, was gemeinhin „Charakter“ genannt wird. Wer stattdessen in vorhersagbarer Weise zumeist beispielsweise devot, angepasst, aufopferungsvoll oder auch draufgängerisch, dominant, aggressiv reagiere, zeige damit seine grundsätzliche, charakteristische seelische Störung. Weiterlesen

Wilhelm Reich als Kandidat für den österreichischen Nationalrat

von Andreas Peglau

Im September 1930 trafen Reich und Freud letztmalig zusammen. Reich berichtet, dass dieses Unter-vier-Augen-Gespräch die schärfste Auseinandersetzung war, die sie hatten. Ein ausgesprochen wütender Freud habe ihm vorgeworfen, dass er mit seinen politischen Aktivitäten »den mittleren Weg der Psychoanalyse« verlasse, und gemeint, es sei nicht ihrer beider Aufgabe, die Welt zu retten. Wahrscheinlich war es auch dieses Treffen, bei dem sie sich darauf einigten, dass es besser sei, wenn Reich sein Wirken für einige Zeit nach Berlin verlege.Dass Reich dennoch bei seinem politischen Engagement blieb, ist bekannt. Gänzlich unbekannt war bis vor kurzem, wie weit sein Engagement auch bezüglich der Bereitschaft zur Übernahme offizieller Ämter gegangen war.
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Ein bislang weitgehend unbekannter Wilhelm-Reich-Text: Vorschläge für den Arbeitsplan der Arbeitsgemeinschaften der Weltliga für Sexualreform (1930/31)

von Andreas Peglau

Die KPD-nahe Massenorganisation ARSO verfolgte 1930 das Ziel, einen – durch Kommunisten geführten – deutschlandweiten Sexualreformverband zu gründen. An diesen Aktivitäten war bald auch Wilhelm Reich beteiligt.
Im September 1930, noch in Wien, war er vom Komitee der Weltliga für Sexualreform beauftragt worden, eine »sexualpolitische Plattform« für einen internationalen sexualreformerischen Zusammenschluss zu erstellen. Weiterlesen