„Der Europäer kann nicht ‚ungestraft‘ in Afrika unter Negern leben“. Textbeispiele für C. G. Jungs Rassismus

ERLÄUTERUNGEN  ZUM  OFFENENEN  BRIEF  ZUM  THEMA  JUNG  UND  ‘AFRIKANER’, DER IM NOVEMBER 2018 IM  BRITISH JOURNAL OF PSYCHOTHERAPY  VERÖFFENTLICHT WORDEN  IST. 

von ANDREW SAMUELS

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Was Jung über ‘Afrikaner’ und ‘Amerikanische Neger’ geschrieben hat, hat viele Leser und Kommentatoren beunruhigt. Er hat über sie kaum etwas Positives zu sagen.

Für diejenigen von Ihnen, die mit diesen Belangen nicht vertraut sind, folgen hier einige Beispiele.

Sie sind hier weder als Einzelbeweise noch als eine Serie zitiert, und selbstverständlich ist mir bewußt, daß sie hier ohne Zusammenhang aufgeführt werden – dies allein deshalb, weil ich erfahren habe, daß es sowohl außerhalb als auch selbst innerhalb der jungianischen Gemeinschaft Leute gibt, die nicht wissen, worum es uns mit unseren oben erwähnten Bedenken geht. Daher kann die folgende Auswahl – aus Platzgründen notgedrungenerweise unvollständig – lediglich zur allgemeinen Orientierung dienen.

„POWELL sagt: ‚The confusion of confusions is that universal habit of savagery  –  the confusion of the objective with the subjective.‘ [sic; ‚Die größte aller Verwirrungen ist jene universelle Angewohnheit jeglicher Unzivilisiertheit – die Verwechselung des Objektiven mit dem Subjektiven.‘] SPENCER und GILLAN sagen: ‚What a savage experiences during a dream is just as real to him as what he sees when he is awake.‘ [sic; ‚Was ein Wilder im Traum erlebt, ist für ihn genauso real wie das, was er im Wachzustand sieht.‘] Was ich selber von der Psychologie des Negers gesehen habe, bestätigt das Angeführte durchaus“ (GS 6, para. 46, 1921 geschrieben, und zuletzt 1960 veröffentlicht).

„Was ich meine, illustriert eine Episode eines Buschmanns. Ein Buschmann hatte einen kleinen Sohn, den er mit der charakteristischen zärtlichen Affenliebe des Primitiven liebte. Diese Liebe ist selbstredend psychologisch völlig autoerotisch, das heißt das Subjekt liebt sich selber im Objekt. Das Objekt dient dabei gewissermaßen als erotischer Spiegel. Eines Tages kommt der Buschmann vom Fischfang ärgerlich nach Hause, denn er hatte nichts gefangen. Wie immer kommt ihm der Kleine freudig entgegengesprungen. Der Vater aber packt ihn und dreht ihm auf der Stelle den Hals um. Natürlich beklagt er nachher das tote Kind mit derselben Fassungslosigkeit, mit der er es zuvor umbgebracht hatte“ (GS 6, para. 403, 1921geschrieben, und in allen Ausgaben von Psychologische Typen bis und einschließlich der 1960er Ausgabe der Gesammelten Werke, sowie der 1971er Ausgabe der Collected Works.)

„Die Äußerungen des religiösen Gefühls, (die Holy Rollers und sonstige Abnormitäten [der amerikanischen Kultur]) sind stark unter dem Einfluß des Negers – und die berühmte amerikanische Naivität, in ihrer charmanten Form sowohl wie die in ihrer unangenehmen Erscheinungsweise, kann leicht mit der Kindlichkeit des Negers verglichen werden“ (GW10, para. 95, 1927 geschrieben).

„Das durchschnittlich ungemein lebhafte Temperament [. . . des Amerikaners,] das sich [. . .] ganz besonders in einer ungewöhnlichen sprachlichen Ausdruckslust [zeigt], wovon der unaufhörliche und uferlose Strom von Geschwätz in den amerikanischen Zeitungen ein Beispiel ist, ist kaum von den germanischen Vorfahren herzuleiten, sondern gleicht vielmehr dem “chattering” [sic; Geschnatter] des Negerdorfes“ (GW10, para. 95, 1927 geschrieben).

Der Europäer, unbekümmert um seine geistige Höhe, kann nicht “ungestraft” in Afrika unter Negern leben, denn unbemerkt geht deren Psychologie in ihn ein, und er wird – dagegen hilft kein Sträuben – unbewußt zum Neger. Dafür existiert in Afrika der wohlbekannte technische Ausdruck “going black” [sic; schwarzwerden]. Es ist kein bloßer Snobismus des Engländers, wenn ihm der in den Kolonien, vielleicht aus bestem Blut Geborene als “slightly inferior” [sic; leicht minderwertig] gilt. Dahinter stecken Tatsachen“ (GW10, para. 249, 1927 geschrieben).

„Einige [der amerikanischen] Staaten sind besonders “schwarz” ein Umstand, der den naiven Europäer, der Amerika für eine weiße Nation hält, verwundern mag. Es ist nicht völlig weiß, mit Verlaub, sondern scheckig. Daran läßt sich nichts ändern, es ist einfach so.
Was gibt es Ansteckenderes, als Seite an Seite mit einem eher primitiven Volk zu leben? Gehen Sie nach Afrika und sehen Sie zu, was geschieht. Wenn es so offenkundig ist, daß man darüber stolpert, nennt man es “going black”, schwarz werden“ (GW10, para. 961- 962, 1930 geschrieben).

Der inferiore [untergeordnete, unterlegene – A.P.] Mensch übt eine kolossale Anziehung aus,  weil er die tieferen Schichten der Psyche fasziniert,  die unnennbare Zeiträume hindurch unter ähnlichen Bedingungen lebten  – “on revient toujours à ses premiers amours” [sic; man erinnerts stets seine ersten Lieben]. Er gemahnt uns – weniger unseren bewußten als unseren unbewußten Verstand – nicht allein an die Kindheit, sondern an unsere Vorgeschichte, die uns, was die germanischen Rassen betrifft, nicht weiter als ungefähr zwölfhundert Jahre zurückführen würde“ (GW10,  para. 962, 1930 geschrieben).

„Das Kind wird mit einem ganz bestimmten Gehirn geboren, und das Gehirn eines englischen Kindes wird nicht wie dasjenige eines australischen Buschnegers arbeiten, sondern wie jenes eines modernen Engländers“ (GW18, para. 84,1935 geschrieben).

„Man kann nicht in Afrika oder einem anderen ähnlichen Land leben, ohne dieses Land unter der Haut zu haben. Wenn man mit gelben Menschen lebt, wird man gelb unter der Haut. Das ist nicht zu vermeiden, denn irgendwo ist man eben auch so wie der Neger oder der Chinese oder wer immer mit dem man lebt. [. . .] Im kollektiven Unbewußten ist man gleich wie Menschen anderer Rassen, man hat die gleichen Archetypen, so wie man wie die anderen Augen, Herz und Leber hat und so weiter. Es spielt keine Rolle, daß die Haut des anderen schwarz ist. Natürlich spielt es eine Rolle bis zu einem gewissen Grad – der andere hat vermutlich eine historische Schicht weniger. Die verschiedenen geistigen Schichten entsprechen der Geschichte der Völkerentwicklung“ (GW18, para 93, 1935 geschrieben).

„Wir sehen das oft bei Amerikanern, daß sie erschreckend unbewußt über sich sind. Zuweilen werden sie sich ihrer selbst plötzlich bewußt, und dann kann es zu solchen erstaunlichen Begebenheiten kommen, daß zum Beispiel anständige junge Mädchen mit Chinesen oder Negern auf– und davonlaufen. Das kommt davon her, daß jene primitive Schicht, die für uns vielleicht etwas schwer zu akzeptieren ist, für den Amerikaner eine ausgesprochen unangenehme Bedeutung hat, weil sie bei ihm viel tiefer liegt“ (GW18, para. 341, 1935 geschrieben).

„Ich habe mich nicht von irgendeiner Weisheit leiten lassen, ich habe mich von meinen Träumen leiten lassen wie jeder Primitive. Ich schäme mich zwar, das zu sagen, aber ich bin ebenso primitiv wie jeder Neger(1), weil ich nichts weiß!“ (GW18, para. 674, 1939 geschrieben).

Die folgenden zwei Zitate stammen aus Erinnerungen, Träume, Gedanken (Jung, 1984):

„Meine Neger erwiesen sich überhaupt als treffliche Charakterkenner. Einer ihrer intuitive Erkenntniswege bestand darin, daß sie in unübertrefflicher Weise die Ausdrucksart, Geste und Gangart ihrer Objekte nachzuahmen verstanden und auf diese Weise denen unter die Haut schlüpften. Ich fand diese Kenntnis der emotionalen Natur anderer überraschend“ (S. 263).

„Allgemeines Gelächter erhob sich; mit hohen Bocksprüngen stoben sie [die Neger] auseinander und verschwanden nach verschiedenen Richtungen in die Nacht. Noch lange hörten wir ihr Gejohle und Trommeln aus der Ferne“ (S. 275).

Der letzte hier folgende Auszug stammt nicht von Jung, sondern von Otto Rank aus dessen Zusammenfassung von Jungs “Bericht über Amerika” am Zweiten Psychoanalytischen Kongreß in Nürnberg , 30./31. März 1910:

„Vortragender sieht in der  psychologischen Eigenart  des Amerikaners Züge, die auf energische Sexualverdrängung hindeuten. Die Gründe dafür sind vornehmlich im Zusammenleben mit dem Neger zu suchen, das suggestiv auf die mühsam gebändigten Instinkte der weißen Rasse wirkt. Daher sind stark entwickelte Abwehrmaßregeln nötig, die in den Besonderheiten des Amerikanismus zutage treten (CW18, para 1284). (2)

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1) In der englischen Ausgabe der Collected Works, wird hier der Begriff „Nigger“ verwendet. Die Herausgeber führen in einer Fußnote an, daß dieser Begriff  allgemein im frühen britischen und kolonialen Gebrauch nicht unbedingt verächtlich gemeint sei, und  bestimmt keinesfalls hier (CW18, p. 286, Anm. 10).

2) Bei Ranks Text in den Gesammelten Werken handelt es sich um eine Kürzung von Ranks Bericht, sodaß z. B. der Begriff ‘barbarische Rassen’ entfällt. Im Original, dessen bibliographische Referenz in den GW angegeben ist, heißt es: ‘Vortragender schildert eine Reihe von Eindrücken, die er auf zwei Reisen in Nordamerika gesammelt hat. Die psychologische Eigenart der Amerikaner weist Züge auf, die der psychoanalytischen Betrachtungsweise zugänglich sind. Es sind Züge, die auf energische Sexualverdrängung hindeuten. Die Gründe für die Verdrängung sind im spezifisch amerikanischen Komplex, nämlich dem Zusammenleben mit niederen Rassen, besonders den Negern zu suchen. Das Zusammenleben mit barbarischen Rassen wirkt suggestiv auf die mühsam gebändigten Instinkte der weißen Rasse und zieht nach unten. Daher sind stark entwickelte Abwehrmaßregeln nötig, die eben in jenen besonderen Zügen der amerikanischen Kultur zutage treten.’ (Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, 1910, I/2, S. 737) In der englischsprachigen Ausgabe der CW erscheint die Übersetzung des gesamten Originaltextes. (Anm. d. Ü.)

 

Professor Andrew Samuels, 12 MiHo Apartments, 565 Caledonian Road, London N7 9RB, UK. Tel: 44 7768662813. E-mail: andrew@andrewsamuels.net 

ANDREW SAMUELS  DHL (University of Essex, UK;  Society of Analytical  Psychology,  London)

Auszug aus einem Brief von A. Samuels, aus dem Englischen übersetzt von Dr. Birgit Heuer (British Jungian Analytic Association, London) und Dr. Gottfried M. Heuer (Association of Jungian Analysts, London).

 

Tipps zum Weiterlesen:

Offener Brief zum Thema C. G. Jung und „Afrikaner“

Viel Würdigung, wenig Diffamierung. Psychoanalyse in der deutschen Fachliteratur (Psychoanalyse im Nationalsozialismus, Teil 6) (Hier finden sich Belege für Jungs Antisemitismus – A.P.)