Dagny und Imre Kerner: von Budapest über Wien, Berlin, Basel … nach Leningrad.

von Andreas Peglau

In ICH – die Psychozeitung war mehrfach etwas zu le­sen, was die beiden Journalisten Dagny und Imre Kerner geschrieben hatten: über kommunizierende Pflanzen, indianisches Selbstverständnis im „Kolumbusjahr“, über Wohnen auf giftverseuchtem Untergrund oder naturwissenschaftliche Belege für die Existenz von Biophotonen und Aura.

Wo­für sich Menschen interessieren und engagieren, das lässt sich am besten verstehen, wenn man ihre Lebensgeschichten kennt. Dagny und Imre haben mir ihre Ge­schich­ten im Frühling 1998 in ihrem Haus in Westfalen erzählt. Da arbeitete Imre schon längere Zeit mit bioenergetischen Methoden und gab Unterricht im „energetischen Heilen“. Dagny schrieb an ihrem ersten Roman: über die Ge­schichte der Umweltbewegung – dargestellt anhand der Schicksale von drei Frauen.

Auch 16 Jahre nach unserem Treffen erscheint es mir als einer der bemerkenswertesten und zeitlos wichtigen Punkte in unserem Gespräch, was einzelne mutige und zielstrebige Menschen bewirken können.

***

 

A.P.: Imre, Du bist 1938 in Buda­pest geboren. Kurz danach begann der zweite Weltkrieg, bei dem Ungarn an der Seite des faschistischen Deutschlands stand. Die Be­freiung Ungarns durch die Sowjetarmee …

Imre (muß lachen): Jaja! Die „Befreiung“!

A.P.: … fand am 4. April 45 statt – einen Tag nach Deinem siebenten Geburtstag. Aufge­wach­sen bist Du dann im realsozialistischen Ungarn, wo Du nach dem Abitur nicht studieren durftest, weil Dein Vater Vertreter der „Intelligenz“ war – nämlich Rechtsanwalt.

Imre: Ja – aber dazu gehört noch eine andere Geschichte. In der achten Klasse, während des Unterrichts, hat mich die Parteisekretärin der Schule aus dem Unterricht geholt und mich ge­­fragt: Du willst doch nach der Schule sicherlich studieren. Ich sag: Ja. Sie sagt: Aber du weißt, daß es eine gewisse Schwierigkeit ist, daß dein Vater Rechtsanwalt ist. Aber ich kann dir helfen. Du mußt mir nur erzählen, wenn jetzt der 1. Mai kommt, was deine Klassenka­mera­den von unserer Kundgebung halten.

Und ich hab gewußt, was ich tue: Ich hab mich um­gedreht, bin raus und hab hinter mir die Tür mit aller Kraft zugeschlagen – und von dem Tag an habe ich aufgehört, an meine Zukunft zu denken. Ich hab nicht mal die Formulare aus­gefüllt, um mich zum Studium anzumelden. Ich hab gewußt: Das war´s.

A.P.: Und diese Haltung – woher kam die? Hatten Dich Deine Eltern zur Opposition gegenüber dem neuen System erzogen?

Imre: Ich behaupte, das liegt in meinen Ge­nen. Versuch, mich unter Druck zu setzen und mir etwas aufzuzwingen – dann sag ich Dir, was Sache ist!

A.P.: Das heißt, Du bist mehr aus Dir selbst heraus zum Gegner dieses politischen Systems geworden?

Imre: Das war nicht schwer. Du mußtest nur die Augen aufmachen. Und außerdem: Ich hab es nie gern gehabt, um halb sechs mich anzustellen nach Milch, und um Viertel nach Sie­ben, wenn ich endlich dran war, gesagt zu bekommen: Tut uns leid, die Milch ist alle.

A.P.: Insofern war dann 1956, als das stattfand, was später in der DDR als konterrevolutionärer Putsch eingestuft wurde, für Dich auch klar, wo Du hingehörst?

Imre: Das war für sämtliche Ungarn total klar … Über die Methode hat man diskutiert. Aber ich war in dem Alter, wo man nicht viel diskutiert, sondern gleich handelt. Ich hab damals als Werkzeugmechaniker-Lehrling mein Dasein gefristet und wir hatten gerade an dem Tag, am 23. Oktober, Ausbildung in der Nachmi­t­tags­schicht. Und als wir dort ankamen, haben wir gehört, daß die Studenten eine Demonstra­tion planen – und zehn Minuten später sind wir alle aus dem Unterricht raus und dort hingegangen. Dann ist die Demonstration losgegangen. Und am Abend um acht habe ich eine Pause eingelegt, weil ich ein Rendezvous hatte mit meinem Mädchen. Das war dann recht kurz, weil: Um halb neun hörte man schon Schüsse.

Das heißt, ich hab den Teil der Demonstration nicht mitgemacht, wo ein Teil der Leute zum Rundfunkstudio gegangen sind, um dort ihre Forderungen vorzulesen. Dort begann die Schießerei – und als ich wieder hinkam, war sie schon voll im Gange. Und ich hab überlegt – und andere auch: Wie kriegt man Waffen? Aber wir hatten von der glorreichen Oktoberrevolu­tion so viele Filme gesehen, daß wir ganz ge­nau gewußt haben, wie das zu machen ist: von einer Polizeistation! Und als ich ein paar Wo­chen vorher einmal kein Licht am Fahrrad gehabt hatte, hatten sie mich zu einer Polizei­station gebracht. Also hab ich gesagt: Leute, wir brauchen vielleicht fünfzig Mann, gehen wir dort hin und holen wir die Waffen raus! Und 64 Karabiner, 4 Maschinenpistolen und haufenweise Pistolen haben wir da rausgeholt. Damit sind wir zurück zum Studio und haben … geschossen.

Das war gegen fünf Uhr in der Frühe vorbei. Dann haben wir überlegt: Naja, es gibt noch mehr Waffen! Wo ist die nächste Kaserne? Wir haben ein Lastauto organisiert, sind losgefahren – und wurden verhaftet, dank meiner absoluten, dummen Naivität! Wir waren nur vier Leute auf dem Laster und haben eine völlig falsche Route gewählt: Am Innenministerium vorbei. Und dort war schon längst Mikojan, der russische Außenminister, hatte den Ausnahme­zu­stand verhängt und die ganze Gegend von russischen Truppen abriegeln lassen. Wir sind denen voll in die Arme gelaufen – und ich hatte eine Maschinenpistole. Und wer mit Waffen aufgefunden wurde, sollte binnen 24 Stunden standrechtlich erschossen werden.

Dazu haben sie uns in den Keller des Innen­mi­nis­teriums gesperrt. Und in den beiden anderen Internierungszentren in Budapest haben sie die Leute auch tatsächlich erschossen. Aber im Innenministerium, so hieß es später, verhandelte noch der ungarische Ministerpräsi­dent Imre Nagy – der dann ja auch erschossen wurde als Konterrevolutionär – mit Mikojan. Und eine seiner Bedingungen war, daß keiner dort erschossen wird. Daher wurden wir ins Militärgefängnis überführt. Und als wir hier ankamen, wurden gerade die russischen Trup­pen ausgetauscht, weil die Soldaten, die schon länger in Budapest stationiert waren, sich weigerten, auf Ungarn zu schießen. Und als die Truppen weg waren, da haben es die Ge­fäng­nis­­wärter mit der Angst zu tun bekommen und sind verschwunden – und wir dann auch.

A.P.: Und dann bist Du außer Landes gegangen …

Imre: Aber nein! Ich wollte doch gar nicht weg! Dann gingen die Kämpfe ja auch erst richtig los. Ich ging zu unserem „Revolutionskomi­tee“, oder weiß der Kuckuck, wie die geheißen haben. Und die fragten mich: Was hast Du bis jetzt gemacht? Und ich hab gesagt: Gesessen, im Innenministerium. Wunderbar – dann kennst du dich ja da aus – und kannst es gleich bewachen! Also hab ich einen Ausweis ge­kriegt, als Vertreter der „Volksmiliz“, und bin mit ein paar anderen dorthin. Das war ein faszinierendes Erlebnis! Du kennst doch die riesigen Gebäudekomplexe, die waren absolut iden­tisch, überall im Ostblock. Und wir haben uns in zwei Gruppen geteilt und sind durch diese tausenden von Zimmern, oberirdisch, unterirdisch – und haben sogar diese gigantischen Archive gefunden: endlose Reihen von Hängeordnern, Tonbändern, Briefkopien. Und einen Kasten habe ich auch gefunden, da waren Nachschlüssel drin: von allen westlichen Botschaften. Hausschlüssel, Zimmerschlüssel, Tresorschlüssel. Überall hingen Zettel dran: „Angefertigt am: …“, „Überprüft am: …“. Nur bei der israelischen Botschaft, da war etwas faul, da stand auf dem Zettel: „Der Schlüssel paßt nicht mehr“.

Und dann – was glaubst Du, was das für ein Gefühl war – saß ich, zehn Tage, nachdem ich im Keller des selben Hauses auf meine Erschie­ßung gewartet hatte, im Chefsessel des Innen­ministers! Das war toll!

Aber am vierten November haben dann die rus­sischen Truppen angefangen, Ernst zu ma­chen und den „Aufstand“ niedergeschlagen.

A.P.: Und dann bist Du gegangen?

Imre: Nein, ich bin untergetaucht und hatte die Hoffnung, ich kann irgendwann wieder aus meinem Versteck hervorkommen. Aber nachdem in der Nacht vom 25. Dezember zwölf freundliche russische Herren mit MG´s die Wohnung meiner Mutter nach mir durchsucht hatten, wußte ich: Sie hatten die Protokolle ge­funden, auf denen stand, daß ich als Konterre­vo­lutionär verhaftet worden war. Da wußte ich, wenn die mich kriegen, geht’s mir wirklich an den Kragen. Und am 27. Dezember war ich in Wien.

A.P.: Aus Deiner Sicht: Ging es damals gegen den Sozialismus oder eher um einen besseren Sozialismus?

Imre: Wir waren mitnichten so indoktriniert mit irgendwelchen „ismen“, wie Ihr das erlebt habt. Ihr seid eine Generation weiter, habt das fast mit der Muttermilch aufgesogen. Für uns war das anders. Als wir dort beispielsweise das Lastauto geholt haben, sind gleichzeitig die Last­autos gekommen mit den Arbeitern aus der nahegelegen Schwerindustrie. Und die sind ausgestiegen, in ihren Arbeitsanzügen, ha­ben nichts gefragt, haben die Waffen genommen und sind losgegangen und haben ge­kämpft. Es war soetwas von klar, worum es geht: Mit diesen Scheißtypen abzurechnen, die sich Kommunisten nannten! Mit dieser unfähigen Führung, die total abhängig war von der Sowjetunion.

Wir haben das auch sehr geschichtlich gesehen: Ungarn war fünfhundert Jahre lang be­setzt. Zuerst hundertfünfzig Jahre durch die Türken, dann durch die Habsburger – also Öster­reich, dann kurz durch die Deutschen und jetzt waren die Russen da: Verdammt noch mal, es reicht!

A.P.: Ende Dezember 1956 bist Du also in Österreich angekommen, Imre – als Du, Dag­ny, gerade ein halbes Jahr alt warst …

Dagny: Er machte Revolution und ich in die Windeln, so ist es.

A.P.: Und das mit den Windeln passierte hier, in dem Haus, in dem wir jetzt sitzen – und in dem Ihr vor zwei Jahren die Nachfolge Deiner Eltern angetreten habt als Bewohner?

Dagny: Ja.

A.P.: Während dann wahrscheinlich Dagnys Sauberkeitserziehung anlief, erhieltest Du, Im­re, in Österreich Asyl und hast angefangen, in Innsbruck Chemie zu studieren und eine Disser­tation zu schreiben über ein ziemlich speziell klingendes Thema: die „ Reaktion von Perjodaten mit Fluorsulfonsäure“ …

Imre (lacht): Das war ungeheuer wichtig!

A.P.: Das konntest Du dann aber in Österreich nicht abschließen …

Imre: … weil die dortige Bürokratie einem Österreicher nicht erlaubte, eine Dissertation zu schreiben, wenn er sein Abitur im Ausland gemacht hatte. Als ich anfing zu studieren, war ich staatenloser Flüchtling und das ging klar. Aber mitten im Studium bin ich österreichischer Staatsbürger geworden – und plötzlich hat mein Abiturzeugnis nicht mehr gegolten.

Dann hab ich wieder gesagt: Ihr könnt mich mal! Hab die fertige Dissertation hingeschmissen und bin nach Deutschland gegangen. Hier war ich wieder Ausländer – und mein Abitur­zeugnis wieder gültig. Und ich konnte wieder von vorne anfangen, meine Dissertation zu schreiben.

A.P.: Bleibt nebenbei festzuhalten, mit welcher Leichtigkeit Du damals zum zweiten Mal das Land gewechselt hast … Das fällt vielen anderen doch deutlich schwerer. Und Du hattest ja in Österreich auch schon eine Einreise­genehmigung für die USA beantragt.

Imre: Hab ich Dir schon mal die Geschichte erzählt von dem alten Juden, der Anfang 1933 in ein deutsches Reisebüro geht und sagt: „Fräulein, geben Sie mir eine Fahrkarte, ich muß weg aus Deutschland!“ „Ja, wo wollen Sie denn hin?“ „Ja, das weiß ich nicht.“ Sie hat viel zu tun, also stellt sie ihm einfach einen Globus hin und sagt: „Suchen Sie sich doch etwas aus!“ Der Alte nimmt eine Lupe und fängt an, sich den Globus zu betrachten. Nach zehn Mi­nuten kommt sie wieder und fragt: „Na, haben Sie was gefunden?“ Sagt er: „Fräulein, könnten Sie mir nicht einen andern Globus geben?“

Verstehst Du: Wenn Du einmal von zu Hause wirklich weg bist, und die Brücken sind hundertprozentig abgebrochen, dann kommst Du plötzlich drauf: Ja hoppla – die Grenzen sind irgendwelche Linien auf einem Papier – nicht mehr!

Formal gesehen bin ich hier in Deutschland heute noch Ausländer. Ich bin Österreicher – aber das bedeutet mir nichts.

A.P.: In der BRD angekommen bist Du 1969. Ein Jahr später bist Du an der Uni Bonn Doktor der Naturwissenschaften geworden – und 1971 kam schon wieder der nächste Landeswechsel: in die Schweiz, nach Basel, um dort bei einem der größten Chemiekon­zerne, bei „Sandoz“, in der Forschung zu arbeiten. Das hast Du sieben Jahre lang ausgehalten und Dich zusätzlich zu Deiner Arbeit ausbilden lassen als Betriebswirt, in der Per­so­nalführung, der elektronischen Datenvera­r­beitung und im Management.

Imre: Ich hab mich gelangweilt. Und zusätzlich zu meiner vollen Arbeitszeit hatte ich das Recht, zehn Vorlesungsstunden pro Woche an der Uni zu besuchen.

A.P.: 1978 passierte dann wieder etwas, das man als ziemlichen Bruch empfinden kann: Von einem Chemie-Giganten in der Schweiz zum Umweltbundesamt in Westberlin …

Imre: Aber da war noch etwas dazwischen. Und zwar bin ich durch einen Routine-Arbeits­auftrag auf das Thema Umweltgifte, speziell Dio­xi­ne, gestoßen. Und weil ich in der Indus­trie sämtliche Möglichkeiten hatte, dem gründlich nachzuforschen, ist mir sehr bald klargeworden, was für Gefahren da lauerten. Und da­von wollte Sandoz dann nichts mehr wissen. Deshalb ist ein Kampf entstanden zwischen der Firma und mir – und ich bin schließlich gegangen, nachdem ich einen Riesenwirbel gemacht habe und das veröffentlicht hatte. Ich hab dann auch ein internationales Symposium dazu angezettelt und organisiert, mit dem Titel: „Chemie-Mensch-Umwelt, die Gefährdung des Lebens durch halogenisierte Kohlenwasser­stoffe“. Daran haben 74 Umweltschutzorganisa­tionen teilgenommen und Regierungsvertreter aus den USA, der Schweiz und der BRD. Und daran konnte ich im Umweltbundesamt anknüpfen.

A.P.: Wo Du bis 1982 geblieben bist und Dich mit so spannenden Sachen herumgeschlagen hast wie „Verwaltungsvorschriften für das Wasserabgabengesetz“.

Imre: Du, diese Verwaltungsvorschriften wa­ren wichtig! Denn damit hat der Staat die Men­gen an Dreck begrenzt, die die Industrie in die Abwässer leiten durfte. Das war ein richtiger Kampf mit den Konzernen.

A.P.: Aber das hat Dir nicht gereicht – und Du bist zu Greenpeace gegangen …

Imre: Richtig.

A.P.: … und hast dort Dagny kennengelernt, die zu dieser Zeit auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzte: Du warst Deutsch-Lehrerin für Ausländer am Goethe-Institut, hast Sprach­wissenschaft, Amerikanistik und Germanistik studiert, als Pressefotografin und Journalistin gearbeitet – und warst zusätzlich Pressespre­che­rin bei Greenpeace.

Dagny: Ja. Und damals war die Umweltdiskus­sion ja noch sehr stark auf die Atomenergie be­schränkt. Imre war eigentlich der erste, der sagte: Deutschland ist Chemieland – und damit haben unsere Umweltprobleme noch viel mehr zu tun als mit Atomkraftwerken. Aber die bei Greenpeace wollten in erster Linie pressewirksam Robben schützen. Und ich als Pressespre­che­rin fand auch, daß man das sehr gut verkaufen kann: Die Robben haben diese süßen Babyaugen – und wenn die da abgeschlachtet werden, das sind Bilder, die jedem unter die Haut gehen. Und ich dachte, wir koppeln das so mit diesen Robbenschutzkampagnen, daß wir den Leuten nebenher auch was über Che­mie beibringen. Und ich hab dann relativ spät er­kannt, daß das von Green- peace so nicht gewollt wird. Aber vorübergehend war eben Imre dort, um als Berater für Chemie­fra­gen zu arbeiten. Und es hat Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Dann ging er wieder weg …

A.P.: … um im Januar 1983 einer der Grün­der von „Robin Wood“ zu werden …

Dagny: … einer Umwelt­organisation, die tat­säch­lich demokratisch funktionieren sollte. Imre war dort Vorstandssprecher und hat die ersten gewaltfreien Aktionen des Ver­eins in Deutschland und Österreich organisiert. Und ich zog mich auf mei­ne anderen Jobs zurück, nachdem ich die Nase voll hatte von Greenpeace. Wiedergetroffen haben wir uns dann 1983 beim Westdeutschen Rundfunk. Dort war Imre inzwischen als Chemieberater tätig und fragte mich, ob ich nicht mitmachen will bei Filmen zu Umweltproble­men. So wurden wir ein Autorenteam.

A.P.: Und dann auch ein privates Team. Als Au­toren wart Ihr tätig für so bekannte Reihen wie „Monitor“, „Panorama“, später „ZAK“, habt mehr als 120, teils sehr ausführliche Fil­me zum Thema Ökologie gestaltet. Der erste Beitrag, unter dem Imres Name stand, war bereits ein Beitrag für die Tagesthemen – worauf gestandene Journalisten oft jahrelang war­ten. Ein paar Monate später ist ein Moni­tor-Beitrag von Euch die Titel-Story des „Spie­gel“ geworden: Ein bislang einzigartiger Vor­gang.

Imre: Die Sachen, die wir gemacht haben, hatten einfach großen Nachrichtenwert. Und wir haben unser ganzes Know-how aus unseren vor­herigen Berufen in diese Beiträge hineingepackt.

Dagny: Den Beruf des Umweltredakteurs gab es damals noch gar nicht. Es gab Kultur-, Wirt­schafts-, Sportredakteure – aber Umwelt, was is´n das bitte schön? Und in diese Lücke sind wir gestoßen, in dieser Nische konnten wir ar­beiten.

Wir waren damals wie `ne Rockband: Jeder Film war ein Hit. Und wir wurden immer be­kannter und konnten auf sehr hohem Niveau mit sehr guten finanziellen Mitteln unsere Fil­me drehen. Wenn beispielsweise wieder mal ein Umweltverbrechen vertuscht werden sollte und die Politiker sagten: Hier ist kein Gift! – dann konnten wir selber hingehen und Luft- und Bodenproben entnehmen und analysieren lassen. Dann hatten wir die Beweise! Und konnten sie veröffentlichen. Wodurch sich na­türlich auch der Druck auf die Redaktionen er­höhte – durch die Politiker, aber auch durch andere. Sobald Klaus Bednarz, der Chefredak­teur von „Monitor“, nach solchen Beiträgen ans Telefon ging, konnte er mit Anrufern rechnen, die ihn anbrüllten: „Bednarz – ab nach Moskau!“ oder „Rotfront verrecke!“

A.P.: Umweltberichterstattung wurde also von vielen gleichgesetzt mit „linker“ Ideologie?

Dagny: Ja. Das ging soweit, daß 1985 im Bun­destag eine Debatte über „Monitor“ vom Zaun gebrochen wurde – mit dem erklärten Ziel, die Freiheit, in den Medien über solche Themen zu berichten, einzuschränken. Und von den drei dort als besonders „kritikwürdige“ Bei­spie­le herangezogenen Beiträgen waren zwei von uns.

A.P.: Was waren das für Beiträge?

Dagny: Über Dioxin. Imre hatte dieses Thema sozusagen aus der Schweiz, von Sandoz, mitgebracht, es im Umweltbundesamt weiterverfolgt – unter anderem in der Abwasserproblematik, hatte es dann vergeblich bei Greenpeace un­ter­bringen wollen – und schließlich konnten wir es gemeinsam, dank der Unterstützung der Sender, doch noch aufarbeiten.

Imre: Und aufgrund dieses Beitrages, den dann auch der Spiegel übernommen hat, wur­de zum ersten Mal ein ganzer Chemie-Betrieb geschlossen: „Boehringer“ in Hamburg. Der auch den berüchtigten Giftkampfstoff „agent orange“ produziert hatte für den Vietnam-Krieg.

Dagny: Jahre, nachdem die Firma in Hamburg dicht gemacht hatte, bekamen wir die dann übri­­gens die Information, daß ein Teil der Tech­nologie, wegen der der Betrieb hatte schlie­ßen müssen, nach Spanien verkauft werden sollte. Wir fingen wieder an, zu recherchieren: Imre ging nach Ingelheim, zu Boehrin­ger, und ich ging runter nach Spanien. Und es stellt sich wirklich heraus, daß die spanische Firma den selben giftigen Stoff herstellen wollte, der mit zur Boehringer-Schließung geführt hatte. Unser Film hat dann verhindert, daß der ge­plan­te Technologie-Verkauf zustandekam.

Das soll nicht heißen, wir wären die einzigen ge­wesen, die sich für Boehringer interessiert hatten – aber unser Beitrag lieferte die entscheidenden Datengrundlagen. Und dadurch verstärkte sich der Druck auf die Politiker.

Imre: Nach unserer ersten Sendung über Boehringer sind die in Hamburg auf die Straße ge­gangen zum Demonstrieren! Das hatte es vorher noch nie gegeben!

Dagny: Und damals entstanden die „Grünen“, auch in Hamburg, und hatten plötzlich 14 Pro­zent Wählerstimmen! Und Imre wurde zusammen mit Klaus Bednarz vor den Hamburger Se­nat gebeten.

Imre: Und da saßen die ganzen Professoren, die sie extra hatten einfliegen lassen, um ein Haar in der Suppe zu finden. Aber ich war Fach­mann – ich kannte die Behördenseite, die Industrieseite, die Wissenschafts- und For­schungs­seite. Und die Diskussion endete da­mit, daß der Umweltsenator seinen obersten Beamten angewiesen hat, mit mir zusammen zu arbeiten.

Dagny: Das Tolle war auch, daß es von nun an um „die Dioxine“ ging. Allgemein bekannt war vorher schon, daß eines der Dioxine die giftigste Substanz ist, die jemals von Men­schen hergestellt wurde. Aber jetzt hatten wir einen An­satzpunkt, um die gesamte Sub­stanzklasse der chlorierten Kohlenwasserstoffe zum Thema zu machen – und dafür zu sorgen, daß immer we­niger von diesen Giften in die Umwelt geleitet wurden.

Imre: Du kennst vielleicht noch diese bunten „Steine“, rosarot, grün oder blau, die in den Pissoirs lagen? Einer der Grundprozesse in der chemischen Industrie ist es, Benzol zu chlorieren. Bei diesem Verfahren wird Benzol u.a. in das Abfallprodukt Paradi­chlor­ben­zol umgewandelt. Kommt dieser Stoff mit Wasser in Berüh­rung, entsteht eine hochgiftige Verbindung. Er durfte also nicht ins Abwasser gelangen. Um ihn wirklich unschädlich für die Umwelt zu entsorgen, hat man da­mals 5.000 DM pro Tonne bezahlen müssen. Eine Menge Geld. Daher ha­ben sich Marketing-Leute und Chemiker zusammengesetzt und nach einer billigeren Variante ge­sucht, sich dieses Zeugs zu entledigen. Sie ha­ben festgestellt, daß es unter anderem die Ei­genschaft hat, die Ge­ruchs­ner­ven zu betäuben – und schon hatten sie es zu bunten Kugeln verarbeitet und als „Pissoir-Hy­giene-Steine“ auf den Markt ge­bracht. Was be­deutete: Die gesamte erzeugte Menge dieses Stoffes gelangte – über das Toi­lettenspülwasser – ins Grund­was­ser! Aber jetzt war es ja kein Ab­fall mehr – sondern ein Pro­dukt!

A.P.: … das nicht mal dafür gesorgt hat, daß der Urin weniger streng riecht – sondern nur daß die Nase nichts mehr merkt?

Imre: Nicht eine Bakterie wurde in Mitleiden­schaft gezogen – das Zeug hatte überhaupt keine bakteriologische Wirkung! Aber sämtliche Bundesbehörden, die Bundesbahn, die Armee haben das Zeug tonnenweise bestellt! Und wir haben diesen ganzen Markt kaputtgemacht – mit einem einzigen Sieben-Minuten-Beitrag! Innerhalb der nächsten Tage sind wich­tige Großabnehmer abgesprungen – und das war´s.

Zwei Jahre später hatten die Chemiker wieder eine tolle Idee: Wenn man das Zeug in Pulver­form in kleine Papiertütchen füllt – wie Tee­beu­tel – dann eignet sich es dazu, um in Särgen als Unterlage für Leichen zu dienen – die nicht un­an­genehm riechen sollen bei der Beerdigungs­zere­monie. Das heißt: Die Leichen wurden auf Gift gebettet – und wenn dann der Sarg sich in der Erde aufgelöst hatte – wanderte wieder alles ins Grundwasser! Oder im Krematorium wurde das Paradichlorbenzol mit verbrannt – und wurde zu Dioxin, das in die Luft entweicht!

Also haben wir wieder einen Beitrag gemacht …

Chemisch hergestellte Substanzen, die in der Natur nicht abgebaut werden, die bioakkumulativ sind, Krebs erregen, Erbgut verändern – die dürfen nicht in die Umwelt gelangen. Punkt.

A.P.: Und das betraf zu der Zeit sicher einen ziemlich großen Teil der chemischen Indus­trie.

Dagny: Ja. Und nachweisen konntest Du das anhand der Nahrungskette, an deren Ende der Mensch steht – und zwar insbesondere der neu­geborene Mensch, der Muttermilch zu sich nimmt. Daher haben wir Muttermilch-Analysen in Auftrag gegeben – was es vorher in Deutsch­land noch nicht gegeben hat – mit erschütternden Ergebnissen: Die Dioxine waren längst in der Muttermilch angekommen!

Imre: Und aufgrund des Beitrages, den wir darüber gemacht haben, war die Bundesregie­rung genötigt, die Empfehlung auszusprechen, auf keinen Fall länger als sechs Monate zu stillen, damit die Babys keinen Schaden erleiden.

A.P.: Das ist bald vierzehn Jahre her. Was hat sich seitdem getan?

Imre: Immer mehr Löcher in der Gesetzen wurden gestopft. Die Industrie wurde durch Verwaltungsvorschriften gezwungen, die Ab­wasserentsorgung, den Filtereinsatz und vieles mehr zu verbessern. Ganze Produktionen wurden umgestellt oder eingestellt, Betriebe ge­schlossen. Heute ist es sicher, daß die Dioxin-Werte in der Muttermilch wieder rückläufig sind.

Dagny: Nach den Beiträgen und der öffentlichen Diskussion kamen endlich die Behörden darauf, daß sie eigene Labors brauchten für Kon­trolluntersuchungen und investierten Milliar­den dafür.

Imre: Und da inzwischen ja auch Grenzwerte für die Belastungen durch Dioxine festgelegt wor­den waren, wurde jetzt auch tatsächlich ge­messen. Und wo man mißt, findet man auch. Und ab da ist der Handlungsbedarf gesetzlich geregelt – und der Journalist hat seine Möglich­kei­ten ausgereizt.

A.P.: Und was habt Ihr jetzt im Nachhinein für ein Gefühl – wie groß ist Euer ganz persönlicher Anteil an dieser, doch sehr positiven, Ent­wicklung?

Es klingt für mich ausgesprochen faszinierend, was Ihr da erzählt. Norma­ler­weise würde ich nicht glauben, daß zwei einzelne Journalisten – zwei einzelne Men­schen – so einen großen Einfluß haben können auf so mächtige Strukturen wie beispielsweise die chemische Industrie.

Imre: Doch – das geht! Aber es dauert sehr lang. In ein paar Monaten oder Jahren tut sich da nicht viel. Und ich zweifle nicht daran, daß auch ohne uns all diese Dinge irgendwann be­kannt geworden wären und sich verändert hätten. Wir haben vielleicht nur dafür gesorgt, daß es ein paar Jahre früher soweit gekommen ist. Allerdings: Wenn ich das dann versuche zu be­rechnen, was das bedeutet, daß – sagen wir fünf bis zehn Jahre früher – die Menschen nicht mehr soviel Gift in sich aufnehmen mußten, dann komme ich vielleicht zu Zahlen, daß 40.000 Menschen weniger Krebs gekriegt ha­ben.

A.P.: Und ist das nicht der komplette Wahn­sinn? Daß Ihr daran einen großen persönlichen Anteil habt!

Dagny: Imre vor allen Dingen. Klar war ich auch beteiligt. Aber Imre hat einen Teil seines Lebens dafür gegeben. Wenn er das Thema irgendwo nicht weiterverfolgen konnte, hat er den Job einfach hingeschmissen.

A.P.: Auf Deine Altersversorgung hast Du jedenfalls nicht besonders geachtet …

Imre: Scheiß drauf! Ich wollte diese Arbeit weiterführen! Aber irgendwann hat es dann gereicht.

Dagny: Es war, was uns betraf, immer das sel­be Szenario – ob in Hamburg, Seweso oder in den USA: Wir kamen irgendwo hin, zu irgendeinem Umweltfall, wir recherchierten, die Poli­ti­ker mauerten, die Behörden schliefen – im­mer dasselbe, egal wo. Über zehn Jahre lang.

Es gab hier in der Gegend zum Beispiel alte Baustandorte, wo Bauland besonders günstig abgegeben wurde an sozial schwache Familien – unter anderem auf dem Gelände einer ehemaligen Kokerei bei Dortmund. Glücklich, end­lich ein eigenes Haus bauen zu können, ha­ben die Menschen dort zunächst noch ignoriert, daß der Boden so eigenartig schillert. Aber als dann bei einigen Chemikalien über die Kellertreppe liefen – und als dann in dieser Sied­lung gehäuft Allergien, Leukämie und Krebs auftraten – da ließ sich das nicht mehr so problemlos wegschieben. Aber so einfach von dort wegziehen konnten sie auch nicht – sie hatten Kredite aufgenommen, Hypotheken. Und wir haben uns dann, um einen ausführlichen Film darüber zu machen, für zwei Monate dort eingemietet.

A.P.: Das war ja wohl kaum so leicht zu lösen, wie die Geschichte mit den Urinsteinen?

Imre: Wir waren in der Lage, an Luftaufnah­men heranzukommen, die die Alliierten ge­macht hatten. Und da konntest du zeigen: Ge­nau an dieser Stelle wurde damals der Teer und andere giftige Abfälle ein­fach in die Erde gekippt. Genau da, wo heu­te das Haus von „Müllers“ steht. Von de­nen drei unter einer Krankheit leiden, die un­ter anderem auf diese giftigen Rückstände zurückgeführt werden kann.

Dagny: Und wir konnten anhand von Akten nachweisen, daß Mitarbeitern zuständiger Be­hör­den schon klar war, daß es ge­sundheitliche Probleme mit sich bringen könnte, auf einem ehemaligen Kokereigelände zu leben. Und mit der Zeit hat die Stadt Grundstücke zurückgekauft. Wer wirklich gehen wollte, ist inzwischen weg … Das war sicherlich ein Erfolg.

Imre: Aber du kannst dich nicht ständig mit Giften beschäftigen, mit Mißbildungen, mit kranken und sterbenden Menschen – das be­hindert dich selbst am Leben!

A.P: Also es war keine Resignation, daß Ihr An­fang der 90er Jahre mit dieser Art von Jour­nalismus aufgehört habt.

Imre: Nein – wir hatten doch viel erreicht! Ei­ne der letzten Umweltgeschichten, die wir ge­macht haben, fand in Leningrad statt. Eine du­bio­­se Baufirma macht an die Stadt Leningrad ein Angebot: Leute, wir bauen für Euch gratis ei­ne Ringautobahn um die Stadt! Wir schenken Euch sämtliche Baumaschinen, die wir dabei be­nutzen. Wir wollen weiter nichts, als unser absolut ungefährliches Füllmaterial zum Auto­bahn­bau benutzen zu dürfen.

Aber dieses Füllmaterial war Gift! Und wenn sie es hätten dort verschwinden lassen können, statt es ordnungsgemäß zu entsorgen, hätte diese Firma einen Profit gemacht von mehreren Milliarden!

Und wir haben das aufgedeckt – in Zusammen­ar­beit mit den Leningrader Behörden und der Kriminalpolizei. Damals haben wir es zum ers­ten Mal mit der russischen Mafia zu tun be­kom­men.

A.P.: Und es überlebt! Das ist doch kaum zu glauben! Seid Ihr denn als Journalisten nicht ständig bedroht worden?

Dagny: Unser Kamera-Team ist einmal, ausgerechnet in der Schweiz, verhaftet worden – aber das war auch schon alles.

A.P.: Das heißt, Ihr habt es geschafft, über so lange Zeit, schmutzige Geschäfte aufzudek­ken, an denen Millionen- oder gar Milliar­den­profite dranhingen – ohne daß Euch persönlich etwas zugestoßen ist? Ihr seid nicht mal bedroht worden? Ich bin nicht nur groß­geworden mit dem Bild von dem Konzern, der für Maximalprofit zu jedem Verbrechen bereit ist – das Bild leuchtet mir nach wie vor ein.

Imre: Ich hab mich auch sehr gewundert. Al­lein die Sanierungskosten, die Boehringer in Ham­burg aufgebrummt wurden, betrugen 180 Millionen! Wir haben die chemische Industrie Milliarden gekostet!

A.P.: Und – wie erklärst Du Dir, daß Ihr noch am Leben seid?

Imre: Ich denke: Das ist die funktionierende Seite der Demokratie. Ich muß sagen, weil dies alles möglich war, habe ich diesbezüglich ein echtes Vertrauen zum bundesdeutschen Sys­tem. Diesbezüglich! Sowohl was die Medien betrifft – wir haben keinerlei Zensur erlebt -, als auch die Zusammenarbeit mit den Behörden. Und was die Chemie-Konzerne be­trifft – ich un­terstelle ihnen nicht, daß sie Mord­pläne ge­habt haben – aber hätten sie et­was gegen uns unternommen, hätten sie auf einen Schlag sämtliche Journalisten auf dem Hals gehabt.

A.P.: Aber …

Imre: Glaub mir: Wenn du mit den heiligen Buchstaben WDR über dem Kopf irgendwo recherchierst oder drehst …

A.P.: … kann dir nichts passieren?

Dagny: Ich glaube nicht. Du darfst dir keinen Fehler leisten. Keine unsaubere Recherche. Du mußt immer beweisen können, was Du be­haup­test – sonst bist du dran. Dann machen sie dich juristisch fertig. Insofern präsentierst du mit jedem Film deinen Kopf auf einem Silber­tablett.

Imre: Wir haben teilweise erlebt, daß bei der Abnahme des Films im Sender – wenn er noch einmal gezeigt wird vor der Aufführung im Fern­sehen – daß da sechzig Personen dabei wa­ren: Programmdirektor, Chefredakteur, Justi­tiar, Anwälte, Kollegen … Und da wird alles ge­fragt! Und wir mußten alles nachweisen! Ganze Stöße von Papier hatten wir immer dabei, bis zu 14 Stunden haben solche Abnahmen gedauert, über einzelne Formulierungen mußt du da manchmal Rechenschaft ablegen! Also da wird schon sehr sorgfältig geprüft.

A.P.: Es gibt doch auch eine Menge anderer zugespitzter Umweltprobleme – beispielsweise das Baumsterben. Daß es damit so lustig weitergeht, soll das bloß daran liegen, daß an die­sem Thema nicht die richtigen Journalisten dran sind? Wenn Du Förster wärst statt Che­mi­ker – hättest Du dann das Baumsterben auf­gehalten?!

Imre: Das Schwierige ist: Das Baumsterben läßt sich nicht so eindeutig auf eine ganz be­stimmte Ursache zurückführen wie die Gift­müllgeschichten. Und solange die Industrie noch „Experten“ anbringen kann, die behaupten und angeblich nachweisen: Diese Schäden am Baum können auch von Bakterien stammen oder vom Klima – da hast du schlechte Karten.

A.P.: Aber wenn du an der richtigen Stelle bist, kompetent bist für ein bestimmtes Thema, intensiv daran arbeitest und Zusammen­hän­ge tatsächlich nachweisen kannst – dann kannst du in diesem Land sehr viel mehr ausrichten als anderswo?

Imre: Dann kannst du verdammt viel machen! Sogar – als Ausländer!

 

*

aus ICH Frühling 1998

 

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