Schlagwort-Archive: Massenpsychologie des Faschismus

A Marxist psychoanalyst of Jewish origins lives through the end of the Weimar Republic

After eighty-seven years, the original 1933 edition of Wilhelm Reich’s Mass Psychology of Fascism is published for the first time in its original form

Andreas Peglau


“Society must be in resistance to us, for we behave critically towards it; we prove to society that it is in large part itself the cause of neuroses.” (Sigmund Freud, 1910).

To be consistent, psychoanalysis, both as a social science and as a therapeutic method, must be critical of society. Given this, the original version of Wilhelm Reich’s Mass Psychology of Fascism, published in the late summer of 1933, can be regarded as one of the most important psychoanalytic books ever written. More particularly, Reich’s book was the first text to address the psychosocial underpinnings of the Nazi system, working in a field now referred to as right-wing extremism studies.

Nonetheless, the book’s first edition has been almost completely forgotten, only available in pirate editions or at high prices from antiquarian bookstores. Existing references to Mass Psychology of Fascism almost always mean the 1946 English-language third edition, which has been available in German since 1971. But this edition differs radically from the original version of the book. Weiterlesen

„Ich fürchte, dass uns solche Stellungnahmen auseinanderbringen.“ Das Ende der Freundschaft zwischen Otto Fenichel und Wilhelm Reich im Spiegel unveröffentlichter Dokumente (1933–1934)

von Andreas Peglau

(Erstveröffentlichung in Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, Heft 65/ 2020, S. 60-79)

Anfang eines Briefs von Fenichel an Reich vom 22. November 1933, Quelle: Archive of the Orgone Institute, Correspondence, Box 3, Psa., April 10, 1933–1934.

 

 

Vorab: In diesem Beitrag sollen nicht die Geschehnisse in der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG), der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft (IPV) oder im Kreis der „Linksfreudianer“ zwischen 1933 und 1935 umfassend dargestellt und diskutiert werden, geschweige denn die entsprechenden Abschnitte der Biografien von Fenichel oder Reich. Das ist bereits geschehen.[1] Aber da Michael Giefer und Johannes Reichmayr unveröffentlichte Dokumente entdeckten und ich von einer Recherche im Bostoner Wilhelm-Reich-Archiv einige noch nicht publizierte Briefe mitbrachte,[2] lässt sich das Bekannte ergänzen. Die Rahmenbedingungen werde ich nur soweit skizzieren, als sie zur Einordnung nötig sind.

 

Psychoanalyse unter Hitler und im Exil

Am 30. Januar 1933, als Adolf Hitler deutscher Reichskanzler wurde, lebten Otto Fenichel und Wilhelm Reich in Berlin.
Reich, spätestens seit 1931 KPD-Mitglied, entsprach als „jüdischer Kommunist“ dem nationalsozialistischen Feindbild Nummer Eins. Hinzu kam eine ungewöhnliche Popularität: 1931–1932 dürfte er der nach Freud erfolgreichste analytische Autor im deutschen Sprachraum gewesen sein (Peglau 2017, S. 92f.). Es war also kein Wunder, dass Ende Februar 1933 Reichs Wohnung durchsucht und er am 2. März im Völkischen Beobachter attackiert wurde. Reich flüchtete daraufhin nach Wien (ebd., S. 180–181).
Der „Arbeitsalltag“ von Fenichel, der sich „nicht wie Reich exponiert“ hatte, „lief einstweilen ohne Besonderheiten weiter“ (Mühlleitner 2008, S. 213). Weiterlesen

Ein marxistischer Psychoanalytiker jüdischer Herkunft erlebt das Ende der Weimarer Republik.

Nach 87 Jahren erscheint Wilhelm Reichs Massenpsychologie des Faschismus (1933) erstmals im redigierten Originaltext.

von Andreas Peglau

MPF 33 Neuausgabe Werbung

„Die Gesellschaft muß sich im Widerstand gegen uns befinden, denn wir verhalten uns kritisch gegen sie; wir weisen ihr nach, daß sie an der Verursachung der Neurosen selbst einen großen Anteil hat“ (Sigmund Freud, 1910).

Konsequente Psychoanalyse ist gesellschaftskritisch, als Sozialwissenschaft ebenso wie als Therapiemethode. Auch deswegen ist das im Spätsommer 1933 publizierte Original von Reichs Massenpsychologie des Faschismus eines der wichtigsten psychoanalytischen Bücher, die je erschienen sind. Zudem war es innerhalb dessen, was heute Rechtsextremismusforschung genannt wird, die erste Veröffentlichung zu psychosozialen Hintergründen des NS-Systems.

Dennoch ist diese Erstausgabe fast vollständig in Vergessenheit geraten, nur noch als Raubdruck erhältlich oder als teures antiquarisches Angebot. Falls sich jemand auf Reichs Massenpsychologie bezieht, meint er inzwischen fast immer die 1946 erschienene, englischsprachige dritte Auflage, die seit 1971 in Deutsch vorliegt. Doch diese dritte Auflage unterscheidet sich gravierend vom Original. Weiterlesen

Rechtsruck-HÖRbuch (2018) – Anhören und kostenloser Download

Andreas Peglau: Rechtsruck im 21. Jahrhundert. Wilhelm Reich und die „Massenpsychologie des Faschismus“ als Erklärungsansatz

Gesprochen von Sabine Falkenberg und Thomas Nicolai.
Produziert im Oktober 2019 im Hörbuch-Tonstudio Berlin.
Ton und Schnitt: Berthold Heiland.
Hörbuchfassung, Produktion und Regie: Andreas Peglau.
Covergestaltung: Jan Petzold
Gesamtlänge: ca. 138 Minuten

 


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Kostenloser BUCH-Download: „Rechtsruck“ (2017) als pdf

Andreas Peglau: Rechtsruck im 21. Jahrhundert. Wilhelm Reichs „Massenpsychologie des Faschismus“ als Erklärungsansatz

Vor einem Wiedererstarken des Faschismus hat schon Bertolt Brecht gewarnt: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Aber was ist dieser „Schoß“? Weiterlesen

A shift to the right in the 21st century. Wilhelm Reich’s „Mass Psychology of Fascism“ as an explanatory approach

Lecture by Andreas Peglau held at the 16. EABP-congress in Berlin, 7.9.2018.
Translated by Martina Weitendorf

In November 1930, 33-year-old Wilhelm Reich moved from Vienna to Berlin – in the hope of a favourable environment for his therapeutic, sexual reform and political activities. In all these areas he had previously come into conflict with Sigmund Freud and his colleagues.
There are only a few architectural testimonies of Reich’s work in Berlin. I would like to show you four of them before I move on to the main topic of my presentation.

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Vortrag: Rechtsruck im 21. Jahrhundert. Wilhelm Reichs „Massenpsychologie des Faschismus“ als Erklärungsansatz

Andreas Peglau über 1933 veröffentlichte Erkenntnisse Wilhelm Reichs, die helfen, auch den Rechtsruck im 21. Jahrhundert zu verstehen (16. EABP-Kongress in Berlin, 7.9.2018)

Im November 1930 zog der 33-jährige Wilhelm Reich von Wien nach Berlin – in der Hoffnung auf ein günstiges Umfeld für seine therapeutische, sexualreformerische und politische Tätigkeit. Auf all diesen Gebieten war er zuvor in Konflikte mit Sigmund Freud und dessen Kollegen geraten.
Es gibt nur noch wenige architektonische Zeugnisse von Reichs Wirken in Berlin. Vier davon möchte ich Ihnen zeigen, bevor ich zum Hauptthema meines Vortrags komme. Zunächst das Schickler-Gebäude an der Spree, unweit des Alexanderplatzes. Weiterlesen

Über Freud und Marx hinaus: Wilhelm Reichs „Massenpsychologie des Faschismus“ (1933)

von Andreas Peglau¹

Nur gelegentlich wird heute, wenn es um die Hintergründe der aktuellen Erfolge „rechter“ Bewegungen und Parteien geht, auf Sigmund Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse verwiesen. Noch seltener ist eine Bezugnahme auf Wilhelm Reichs 1933 erschienene Massenpsychologie des Faschismus – obwohl dieses Buch Freuds Analyse an Tiefgründigkeit bei Weitem übertraf. Es war eines der wichtigsten psychoanalytischen Bücher, die je erschienen sind,² zugleich die erste Veröffentlichung dessen, was heute Rechtsextremismusforschung genannt wird.³ Dennoch ist es, insbesondere in seiner ursprünglichen Fassung, in der Reich noch als „linker“ Psychoanalytiker schrieb, weitgehend in Vergessenheit geraten. Dass dieses Werk 2013 in den Band 100 Klassiker der Sozialwissenschaften aufgenommen wurde,4 ist vielleicht ein Indiz für eine beginnende Wiederentdeckung. 2017, im Jahr von Wilhelm Reichs 60. Todes- und 120. Geburtstag, hat seine Massenpsychologie ihre Brisanz nicht verloren; sie ist sogar im Wachsen. Weiterlesen