Potentiell lebenserhaltend. Über den „großen Gesundheits-Konz“

von Andreas Peglau

Zu Franz Konz‘ Versprechen, durch „Urmedizin“ Krebs, Rheuma, Fettsucht, Allergie und chronische Leiden zu besiegen.

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„Dieses Buch zu lesen – das muß Dir Dein Leben wert sein.“ Das steht auf der Rückseite der über 1 400 Seiten starken, 98 DM teuren „grünen, alternativen Bibel für alle, die gesund werden und bleiben wollen“ (F. Konz). Abgesehen davon, daß auf diese Weise schon die äußere Umhüllung auf das Sendungsbewußtsein des Autors verweist, steht damit ja auch eine nicht ganz selbstverständliche Behauptung im Raum. Zugespitzt: Dieses Buch kann Leben retten. Stimmt das? Ich glaube ja.

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Franz Konz: „Der große Gesundheits-Konz. Urmedizin besiegt Krebs, Rheuma, Fettsucht, Allergie und chronische Leiden – und hält Dich für immer fit, schlank und gesund“, Universitas-Verlag München 1995, ca. 1.430 Seiten.

Der große Gesundheits-Konz besteht grob gesagt aus 3 Teilen: einer Abrechnung mit der Schulmedizin in Vergangenheit und Gegenwart, der Entwicklung einer eigenen Methode, die (fast alle) Krankheiten kurieren soll und einem Teil mit ausführlichen Literaturangaben und -zitaten zu den angesprochenen Themen sowie einer Riesenfülle von zusätzlichen Informationen (Übersetzungen für ärztliches Fachchinesisch, Hinweise auf Selbsthilfegruppen, juristische Tips, genaue Auskünfte über den Bezug gesunder Nahrung, Vorschläge für schmackhafte Rohkostgerichte, hunderte praktische Hinweise für gesundes Schuhwerk, Amalgambeseitigung, Fastenkuren, Massagen, ökologisches Bauen u.v.a.).

Allein dieser dritte Teil ist über 600 Seiten stark und zeugt von der über dreißigjährigen intensiven Beschäftigung des Autors mit dem Thema Gesundheit. Am Anfang davon stand 1965 ein Magenkrebs und der erfolgreiche Versuch des damals knapp 40jährigen Franz Konz, sich nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus selbst davon zu heilen. Was er dabei erlebte und erfuhr, ließ ihn offensichtlich nicht mehr los und veränderte sein Leben. Noch heute, als über 70jähriger, ist der Verfasser von Bestsellern wie den „1.000 ganz legalen Steuertips“ ausgesprochen sportlich, geistig und sexuell aktiv – letzteres mit einer schönen jungen Frau.

Schon die Tatsache, daß jemand einen Magenkrebs ohne Rückfälle und gravierende Folgeschäden mehr als dreißig Jahre überlebt, ist ungewöhnlich. Und dann auch noch in einer solchen Verfassung. Wie hat er das geschafft?

Zunächst, sagt Franz Konz, indem er seit jener Zeit konsequent allen Medizinern aus dem Weg gegangen ist. Denn nach seiner Ansicht ist das bereits der halbe Weg zur Gesundheit. Diese Auffassung schöpft er u.a. aus dem Studium der Medizingeschichte, die er auf den ersten 80 Seiten seines Buches auf eine, gelinde gesagt, ungewöhnliche Weise zusammenfaßt: als eine Geschichte von Scharlatanerie, Machtgier, Ignoranz und Volksverdummung. Ein Beispiel:

„1910 gelang Paul Ehrlich, dem Meistergiftmischer der Schulmedizin mit seriösem Anspruch, erstmals ganz offiziell, was bisher nur dem Gottessohn zugeschrieben wurde: die wundersame Wandlung von – nein, nicht von Wasser in Wein, sondern von Chemie in ein Heilmittel. Er nahm einige weniger schwerwiegende Gifte, mixte sie mit chemischen Ingredenzien und einem geringen Teil von Arsen zusammen und gab der Mixtur den Namen Salvarsan. Was etwa bedeutet: Der Erlöser höchstselbst macht Dich mit diesem Gift gesund. Eines der heimtückischten Gifte auf der Welt, das Arsen, womit Könige ihre Rivalen und Jungbauern ihre Alten reihenweise ins Jenseits befördert hatten, wurde durch geschickte Wortverdrehung als heilendes Arse(a)n ausgegeben … Nun, mit Salvarsan wurde Hoechst reich und Ehrlich berühmt und als Begründer der modernen Chemotherapie für das Hervorrufen von millionenfach nutzlosem Leid mit 300.000 Mark Nobelpreis fürstlich belohnt … Bis man langsam merkte – ohne das natürlich öffentlich zuzugeben – daß Arsen auch in der Verdünnung ein Gift blieb, an dem die Kranken … eingingen.“

Dieses Grundprinzip – Krankmachen statt Heilen – setzt sich nach den Erkenntnissen von Franz Konz bis heute in der Medizin fort. Kein Wunder, wenn er schlußfolgert: „Ärzte sind nicht die Lösung des Problems Krankheit – sie sind das Problem.“

Dieser erste Teil allein verdient nach meiner Ansicht schon das Prädikat „potentiell lebenserhaltend“. Einfach deshalb, weil die Faktenfülle es nahezu erzwingt, gründlichst über das eigene Verhältnis zu Ärzten, Therapien und Medikamenten nachzudenken und daraus praktische Schlußfolgerungen zu ziehen. Bei mir gehen diese Schlußfolgerungen vor allem in eine Richtung: Noch viel besser überlegen, welcher medizinischen Behandlung bei welchem Mediziner ich mich notfalls unterziehe. Und ob es nicht viel weniger solcher „Notfälle“ gibt, als ich annehme. Auf jeden Fall ist das durchschnittliche Risiko eines ärztlichen Eingriffs noch viel höher, als ich bisher schon angenommen habe. Und die durchschnittliche Chance, dadurch gesünder zu werden, noch viel geringer.

Trotzdem kann ich Franz Konz´ zumeist recht pauschale Verteufelung dieses Berufsstandes nicht teilen. Nicht nur aus eigenem Antrieb haben Schulmediziner jene unheilvolle Entscheidungsgewalt bekommen über Gesundheit und Krankheit, Geburt, Leben und Tod. Sie wird ihnen auch zugeschoben – nicht zuletzt durch diejenigen, die Angst davor haben, in diesen Fragen für sich selbst zu entscheiden. Und das ist wohl die übergroße Mehrzahl von uns. Und gerade die Unterstellung, diese Ärzte würden überwiegend aus bewußtem Egoismus handeln, verschleiert den Blick aufs Ganze: Sie spielen – mehr oder weniger konsequent – ihre Rollen in einem insgesamt ziemlich lebensfeindlichen System. Wie die allermeisten von uns. Einschließlich Zeitungsredakteuren, Bestsellerautoren und Steuerberatern.

Darüber hinaus halte ich längst nicht alles, was Mediziner in den letzten paar tausend Jahren gesagt und getan haben, für Humbug. Franz Konz selbst nennt Gegenbeispiele: Hippokrates, Semmelweis. Mir fallen u.a. Sigmund Freud und Albert Schweizer ein. Auch heute kenne ich Ärzte, die sich um ganzheitliche Behandlungen von ganzen Menschen bemühen, statt nur um „den Blinddarm aus Zimmer 203“. Allerdings würde Franz Konz die meisten von ihnen nicht gelten lassen, weil für ihn so ziemlich alles Quark ist – nur eins nicht: seine eigene Methode.

Diese läßt sich so zusammenfassen: nur noch Rohkost essen und viel körperliche Bewegung. U.a. bei der Nahrungssuche, denn die „Ur-Ernährung“ hat drei Bestandteile: 1) frisches Gemüse, 2) frisches Obst und 3) täglich selbstgepflückte Wildkräuter oder -pflanzen. Z.B. Bärenklau, Farn, Malve, Sanddorn, Sauerampfer, Vogelbeeren.

Kaffee, Tee und Alkohol fallen sowieso aus, aber damit nicht genug: Überhaupt keine Getränke mehr – in dieser speziellen Naturkostmischung sei bereits ausreichend Flüssigkeit vorhanden.

Für Franz Konz ist die umfassende Vorstellung und Begründung dieses Konzeptes einschließlich ausführlichster Anleitung zum Handeln sicher derjenige Buchabschnitt (über 400 Seiten), der in erster Linie lebensrettend sein kann – immerhin hat er es an sich selbst erfahren und mittlerweile bei etlichen anderen erlebt. Ein Teil dieser Menschen hat ihm diese gesundmachende Wirkung auch brieflich bescheinigt und Auszüge dieser Briefe sind – notariell beglaubigt – im Anhang des Buches zu finden. Und auch da geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern u.a. um Anämie, Gicht, Multiple Sklerose, schweres Rheuma, Neurodermitis, hohen Blutdruck, Allergien, Asthma, Krebs – auch in fortgeschrittenen, von den Ärzten bereits als unheilbar eingestuften Stadien.

Was soll ich davon halten? Fakt ist, daß die Ernährung sicher nicht einfach „ein Lebensbereich unter vielen“ ist. Selbst der Sexualtrieb kann notfalls dauerhaft unterdrückt werden. Davon werde ich nur hochneurotisch und tiefunglücklich – bin aber wenigstens noch am Leben. Aber ohne Nahrung?

Außerdem bin ich durch Nahrungsaufnahme und Ausscheidung direkt materiell mit dem Rest der Welt verbunden. Franz Konz weist nach, wie krankmachend diese Vorgänge in einer Umwelt ablaufen, die selbst kurz vor dem Kollaps steht: Kaum noch etwas, das wir zu uns nehmen, ist wirklich gesund. Die von ihm vorgeschlagene „Ur“-Nahrung enthält ein Minimum an unnatürlichen und ein Maximum an natürlichen Stoffen. Von daher kann ich mir schon vorstellen, daß seine Methode spürbare Einflüsse auf körperliche Geschehnisse hat. Und zumindest für Schwerkranke dürfte es bedeutsam sein, sich mit dem Konz´schen Erfahrungsschatz auseinandersetzen, bevor sie sich einmal mehr unters Messer legen oder zersetzende Chemiepräparate in sich hineinstopfen oder stopfen lassen.

Aber ich bin nicht schwerkrank. Welche Bedeutung hat der Gesundheits-Konz für mich? Schon während des Lesens hat sich „spontan“ der Rohkostanteil meines Essens erhöht. Nach der Lektüre mußte ich dringend ein paar Tage fasten (zum ersten Mal in meinem Leben). Und für das Frühjahr habe ich mir die von Franz Konz vorgeschlagene Variante des „Erdfastens“ vorgenommen. Trotzdem werde ich die gesamte „Urzeit-Methode“ vermutlich frühestens dann ausprobieren, wenn ich selbst mit einer der üblichen schlimmen Diagnosen konfrontiert werde. (Die „Chancen“ dafür sind allerdings recht groß: Allein in Deutschland haben „20 Millionen Diabetes, 25 Millionen leiden an Rheuma und Asthma, 18 Millionen sterben vorzeitig an Krebs, 27 Millionen sterben frühzeitig an Herz- und Kreislaufleiden“.) Bis dahin werde ich mein Leben wahrscheinlich in weitgehend gewohnter Weise zu genießen versuchen – und mich trösten mit meinen intellektuellen Einwänden gegen Franz Konz´ Theorie:

– Sein gesamter Vorschlag ist darauf ausgerichtet, sich so weit wie möglich wieder zu ernähren (und mehrmals täglich zu bewegen) wie zu Beginn der Menschheitsgeschichte. Alles andere sei unnatürlich und genau dafür würden wir mit unseren Krankheiten bezahlen. Aber ich glaube, daß auch Teile des „unnatürlichen“ Verhaltens, das wir in den letzten 10 000en von Jahren entfaltet haben (essen kochen und haltbar machen, Kleider nähen, Häuser bauen …) ein Ausdruck menschlicher „Natur“ sind – und außerdem etwas, das die gesamte Kulturentwicklung erst möglich gemacht hat. Und von dieser Entwicklung möchte ich auf sehr vieles nicht verzichten. (Franz Konz bestimmt auch nicht.) Und dann: Jene angeblich so urgesund lebenden Urmenschen sind nicht mal halb so alt geworden wie wir. Wieso?

– Der Ernährung große Bedeutung einzuräumen, ist sicher richtig. Aber ist die Atmung nicht genauso lebensnotwendig? Hängt unser (Un)Wohlbefinden nicht überhaupt noch von vielen anderen Umständen ab? Wenn Franz Konz z. B. verspricht, nach 14 Tagen Verzicht auf Tee und Kaffe verschwinden sämtliche Depressionen, oder wenn er UrTherapie als einziges (!) Mittel deklariert, um unsere Erde zu retten, dann kann ich das nur kurios finden. Oder wenigstens: ausgesprochen unganzheitlich. Ein konsequenter Roh- und Wildkost-Esser hat nur durch seine Ernährungsumstellung noch lange keinen bestimmenden Einfluß auf die Weltpolitik. Und auch keinen kreativen Job, gute Freunde und ein erfülltes Sexualleben. Sein ungewöhnlicher Speiseplan beendet sogar seine Beteiligung an den üblichen gemeinschaftsstiftenden Trink- und Speisegewohnheiten. Möglicherweise lassen sich die durch andere verbindende Rituale ersetzen. Aber die muß er dann – nebst passenden Partnern – erstmal finden. Ansonsten stirbt er zwar vielleicht nicht an Krebs – aber vielleicht hängt er sich auf, weil er so verdammt einsam ist.

Ich habe noch manches andere auszusetzen an diesem Buch – z. B. den manchmal belehrend bis moralisierenden Ton (aber gottseidank wird der immer wieder durch Witz und Ironie gebrochen). Oder das Biologisieren, das gelegentlich Gefahr läuft, in Richtung „Erbgesundheitslehre“ abzugleiten. Oder Behauptungen, die ich nun bei bestem Willen nicht für beweisbar halte, „nämlich daß unter Milliarden Krebstoten auf dieser Erde die Krebsforscher keinen einzigen fanden, der Rohkost zu sich genommen hat.“ Ich kann nicht glauben, daß es weltweit – und schon immer – für alle Krebsopfer auszufüllende Fragebögen gibt mit der Frage: Ernährte sich der Verstorbene von Rohkost?

Trotzdem muß ich sagen: Wenn irgend jemand ein so umfangreiches und dabei so ehrliches Buch schreibt (der Mensch Franz Konz schaut erfreulicherweise aus allen Seiten heraus), dann kann ich mir kaum vorstellen, daß ich nicht auch eine ganze Menge finde, das ich ablehne. Aber der Wert dieses Buches – als Provokation, als Medizingeschichts-Aufarbeitung, als einzigartiges Nachschlagewerk in unterschiedlichsten Gesundheits- und Krankeitsfragen, als detailliert ausgearbeiteter Vorschlag zu einer konsequenten Ernährungsumstellung – geht weit über die anfangs erwähnten 98 DM hinaus. Und nebenbei ist es eine Denkanregung zum Thema „Wie lösen wir die globale Nahrungskrise?“

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Frühere Veröffentlichungen finden sich in ICH – Zeitschrift für neue Lebenskultur, Frühling 1997 sowie in „Weltall, Erde …ICH“ bzw. www.weltall-erde-ich.de.