von Andreas Peglau
Kostenloser pdf-Download HIER.
Hier lassen sich die 10 Teile online lesen:
Teil 1: Ausgangspunkte, Max Stirner und „Deutsche Ideologie“
Teil 3: Individuelle Spielräume, Friedrich Engels, Robert Owen
Teil 4: Die Lage der arbeitenden Klasse, leere Köpfe und menschenschaffende Arbeit
Teil 5: Was ist „Kapital“? / Das beseelte Ungeheuer
Teil 6: Fremde Wesen, seelische Zustände und „soziale Naturgesetze“
Teil 7: Fragwürdige Vor- und Rückschau, Wunschdenken
Teil 8: Von Immanuel Kant bis Kinderarbeit
Teil 9: Vulgärpsychologie, halbherzige Abschwächungen und Bilanz
Teil 10: Alternative Gedankenwege – eine Diskussionsanregung
Aus den „Ausgangspunkten“:
Heute, da der US-geführte „Westen“ in Kauf nimmt, den gesamten Planeten für den Erhalt seiner „regelbasierten“ Hegemonie zu zerstören, besteht mehr denn je die Notwendigkeit, Alternativen zu finden zu verantwortungsloser Profit- und Machtgier, Kriegstreiberei und Lebensfeindlichkeit. Als eine solche Alternative verstand sich der in mehreren Ländern zumindest in Ansätzen praktisch erprobte Sozialismus. Dessen wichtigster theoretischer Ansatzpunkt war die – im Rahmen des „Marxismus-Leninismus“ oft verzerrt dargebotene – Lehre von Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895).
Der „reale Sozialismus“ wurde frühzeitig insbesondere durch den Staatsterror unter Stalin, später unter Mao Tse Tung und Pol Pot massiv diskreditiert, brach um 1990 zusammen. Seither gelten derartige Konzepte meist als dauerhaft entwertet und Kapitalismus als alternativlos.
Schon weil Marx und Engels sinnvollerweise gar nicht erst versucht haben, Programme für künftige Gesellschaften abzufassen, ist es falsch, ihnen deren Misslingen anzulasten. Am Staatsterror tragen sie ohnehin keine Verantwortung. Wer bislang noch nicht weiß oder wissen wollte, dass auf kapitalistischer Ausbeutung beruhende Systeme ungerecht sind und daher „umgewälzt“ werden sollten, wer wichtige, diesen Systemen zugrundeliegende sozioökonomische Abhängigkeiten und Zusammenhänge verstehen will, wer sich für daraus abgeleitete Annahmen über frühere und künftige gesellschaftliche Ordnungen interessiert, der kann nach wie vor vieles Wertvolle schöpfen aus der Hinterlassenschaft von Marx und Engels.
Aber lässt sich daraus ableiten, in ihrer Lehre fänden sich schlüssige Annahmen darüber, wie Ausbeutung und Unterdrückung beendet werden können – oder gar das geistige Rüstzeug, um unsere aktuelle nationale wie auch globale Krise für konstruktive Veränderungen zu nutzen?
Nein. Denn diese Lehre ist nicht nur unabgeschlossen, beschränkt in Inhalt und Geltungsbereich sowie zum Teil veraltet. Sie leidet vor allem an einem nie behobenen Kardinalfehler: dem „ökonomistischen“ Ausgrenzen der realen Psyche – und damit an der Ausgrenzung dessen, was das Entscheidende ist am Menschsein.
Aus „Bilanz“:
1845 hatten Marx und Engels notiert, dass „die Umstände ebensosehr die Menschen, wie die Menschen die Umstände machen“. 1848, im Kommunistischen Manifest, teilten sie ihre Erwartung mit, anstelle der „bürgerlichen Gesellschaft“ werde „eine Assoziation“ treten, „worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“. 1875 prognostizierte Marx, in einer „höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft“ gelte das Motto: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“
Doch Max Stirner, der 1844 versuchte, Hindernisse und Ziele freier Entwicklung zu erfassen, wurde von Marx und Engels diffamiert. Wer sich wie Wilhelm Reich später der Aufgabe stellte, Wechselwirkungen zwischen Menschen und Umständen ganzheitlicher zu erforschen, herauszufinden, was genau ein freies Individuum auszeichnet, welche Bedingungen es benötigt, um frei zu sein, welche – gesunden! – Bedürfnisse Menschen motivieren, der sah sich bald von Marxisten ausgegrenzt oder verfolgt.
Und so dümpelt das, was auch heute meist unter „Marxismus“ firmiert, weiter vor sich hin als eine Lehre, die „den Menschen“ befreien soll – aber deren Vertreter zumeist gar nicht wissen wollen, was Menschen sind.
Aus „Alternative Gedankenwege – eine Diskussionsanregung“:
Sich einer menschenwürdigen Ordnung anzunähern, ist auf verschiedene Weise möglich und nötig. Wirtschaftliche Umwälzungen gehören zwingend dazu. Durch rein wirtschaftliche Veränderungen ist dieses Ziel jedoch nicht zu erreichen. Schon gar nicht lässt es sich wirtschaftlich definieren. Für diese Definition brauchen wir Antworten auf Fragen, die in erster Linie psychologischer Natur sind: Was ist „gutes“ Leben, was macht einen glücklichen Menschen aus, was benötigen wir, um tatsächlich zufrieden zu sein, was genau ist „menschenwürdig“?
Nur in dem Maße, wie wir uns ein reales, umfassendes, ganzheitliches Menschenbild erarbeiten – das psychosoziale Zusammenhänge ebenso berücksichtigt wie biologische Gegebenheiten und ökologische Abhängigkeiten –, können wir tatsächlich beurteilen, wie eine Sozialordnung beschaffen sein müsste, die uns gemäß ist.
Je klarer wir ein solches Ziel vor Augen haben, desto leichter wird es uns fallen, wieder loszulaufen.
Danksagung
Gudrun Peters war wie so oft die Erstleserin und -kritikerin des Textes. Jan Petzold gestaltete einmal mehr den Buchumschlag. Werner Abel, Wolfgang Brauer, John Erpenbeck, Michael Heinrich, Lutz Kerschowski, Kristina Peters, Jan Petzold, Brigitte Röder, Hans Scherner, Wolfgang Stern und Hannes Stubbe haben Passagen oder frühere Fassungen gelesen, mir mit Informationen, Austausch und Kontroversen weitergeholfen. Ihnen allen: herzlichen Dank! Für das vorliegende Resultat inklusive vermutlich vorhandener Fehler bin ich allein verantwortlich. Über Hinweise auf solche Fehler und konstruktive Kritik würde ich mich freuen.
Über den Autor
Andreas Peglau, 1957 geboren in Berlin/ DDR, Dr. rer. medic., Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker, studierte 1976 bis 1981 Klinische Psychologie an der Humboldt-Universität, war 1985 bis 1991 als Redakteur im DDR-Rundfunksender Jugendradio DT 64 unter anderem für Lebenshilfesendungen zuständig. 1990 gründete er mit anderen die Gemeinschaft zur Förderung der Psychoanalyse e.V. 2013 wurde er am Medizinhistorischen Institut der Berliner Charité promoviert. Im selben Jahr erschien sein Buch Unpolitische Wissenschaft? Wilhelm Reich und die Psychoanalyse im Nationalsozialismus. 2020 gab er im Psychosozial-Verlag Gießen den Originaltext von Reichs 1933 erstmals erschienener Massenpsychologie des Faschismus heraus. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Themen mit psychosozialen und psychoanalysehistorischen Aspekten, siehe auch http://andreas-peglau-psychoanalyse.de/.
Seit 2022 lebt er in Vorpommern.
Impressum/ Urheberrechtsvermerk
Veröffentlicht am 15. Oktober 2024.
Bitte zitieren als: Andreas Peglau (2024): Menschen als Marionetten? Wie Marx und Engels die reale Psyche in ihrer Lehre verdrängten (https://andreas-peglau-psychoanalyse.de/menschen-als-marionetten-wie-marx-und-engels-die-reale-psyche-in-ihrer-lehre-verdraengten/).
© 2024 Andreas Peglau – Alle Rechte vorbehalten. Löcknitzer Str. 33, 17309 Pasewalk
info@andreas-peglau-psychoanalyse.de
Die Weiterleitung und Verbreitung dieses Textes zu nichtkommerziellen Zwecken ist ausdrücklich erwünscht. Lizensiert unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International).
Bildnachweis
Covergestaltung unter Verwendung eines Fotos von Sergey Khakimullin (https://www.istockphoto.com/de/portfolio/SergeyNivens?mediatype=photography), Rücktitel unter Verwendung eines Fotos von Koldunov (https://www.istockphoto.com/de/portfolio/Koldunov?mediatype=photography). Fotos auf den Seiten 1 und 83: Gudrun Peters.