Wir sind nicht die Guten. Zu den „Ansichten eines Putinverstehers“

Über ein wichtiges Buch gegen Kriegsgetöse und Medienhetze, geschrieben von Mathias Bröckers und Paul Schreyer.

von Andreas Peglau

Mathias Bröckers/Paul Schreyer (2014): Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren,  Westend-Verlag Frankfurt a.M. 

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Bisher musste, wer statt der Lügen und Verzerrungen der hauptsächlichen BRD-Medien etwas von den tatsächlichen Geschehnissen in der Ukraine erfahren wollte, sich vor allem aus dem Internet und einigen wenigen Zeitungen Bruchstücke zusammensuchen. Nun gibt es erfreulicherweise erste realitätsgerechte Gesamtbetrachtungen in Buchform. Kürzlich erschien, herausgegeben von Peter Strutynski, „Ein Spiel mit dem Feuer“ (sehr lesenswert!), jetzt, passenderweise zum 1. September, auch das Buch von Bröckers und Schreyer.

Ich halte es für ganz hervorragenden Journalismus: hochaktuell, brisant, faktenreich, seriös recherchiert und genügend mit Quellen belegt. Keineswegs ist es einseitig oder – wie der Titel vermuten lassen könnte – Putin gegenüber unkritisch: Zu verstehen bedeutet nicht gutzuheißen, erinnern die Autoren gleich zu Beginn, und: Verständnis ist grundsätzlich etwas Wünschenswertes – wie ließe sich sonst sinnvoll reagieren? (S. 16-17). Sie verschweigen auch nicht die russischen Menschenrechtsverletzungen (S. 12-17) oder Großmachtphantasien (S. 167-173). Doch sie weisen darauf hin, dass Deutschland skrupellos mit Staaten kooperiert, die sich diesbezüglich weit schlimmerer Vergehen schuldig machen – allen voran die längst zum „größten internationalen Terroristen“ gewordenen USA, die weltweit Menschenrechte mit Füßen treten bzw. treten lassen und unzählige Menschenleben direkt oder indirekt auf dem Gewissen haben (S. 180).

„Wir sind die Guten“ ist flüssig, teilweise packend geschrieben, der Ton wechselt zwischen Ernsthaftigkeit, gelegentlichem, einfühlbaren Sarkasmus und  eindringlichem, emotionalen Appellieren: Schließlich geht es um nicht weniger als um Krieg oder Frieden sowie um die berechtigte Empörung über Massenmedien, die sich vielfach unverantwortlicher, dummdreister Hetze schuldig machen.

Noch einmal den Buchtitel aufnehmend, ziehen die Autoren – sich durch ihr „Wir“ mit einschließend und nicht als Gutmenschen über alle anderen stellend – folgende bittere Bilanz:

„Wir sind nicht die Guten, die die Stabilität der Weltordnung garantierten, wir sind die Schlechten, die die Weltunordnung vorantreiben. Wir sind die Hässlichen, weil wir dabei vor Gewalt und Krieg nicht zurückschrecken. Und wir sind Verräter, wenn wir auf unseren Fahnen die Werte des Humanismus schwenken, doch unsere Panzer, Drohnen und Raketen allein der Agenda der Macht und des Profits folgen.“ (S. 190)

Aber Bröckers und Schreyer bieten am Ende auch einen ganz und gar nicht resignativen Katalog konstruktiver Fragen und Forderungen.

Ich befürchte, es gehörte nicht nur viel Arbeit dazu, dieses Buch – zumal in so kurzer Zeit – in dieser Qualität zu schreiben, sondern, in einer auf das Feindbild „Osama bin Putin“ (S. 26) fixierten Medien- und Politiklandschaft auch eine gehörige Portion Mut. Auch dafür möchte ich mich bedanken.

 

Am 6.9.2014 als Amazon-Rezension veröffentlicht.

 

PS: Anlässlich eines NATO-Treffens im Juni 1981 schrieb BAP den Song „Zehnter Juni“.
Die damals in Worte und Musik gefasste Haltung scheint mir auch gegenüber aktuellen Kriegstreibereien dringend notwendig:

 

Ihr Nadelstreifen-Schreibtischtäter, hört zu,
egal wo ihr euch versteckt: Die Sorte stirbt aus,
die marionettengleich ihr als Mienenhunde vorschickt.
Eure Schachfiguren haben das Denken gelernt
und springen einfach vom Brett.
Bis zum Kadaver wird jetzt nicht mehr pariert.
Probiert doch selbst wie Dreck schmeckt.
Noch ist es nicht so weit, doch seit einiger Zeit
werden es Tag für Tag mehr – immer mehr.

Plant uns bloß nicht bei euch ein.