Kurze Notiz zum Spielfilm „Gundermann“ von Andreas Dresen

von Andreas Peglau

Am 23. August 2018 fand in Berlin die offizielle Premiere des Gundermann-Spielfilms von Andreas Dresen statt.

Kino in der Kulturbrauerei, 23. August 2018 (Foto U. Scholz)

Ein großartiger Film mit ebensolchen Schauspielern und ebensolcher Musik. Ihn sich anzusehen, lohnt sich also in mehrfacher Hinsicht. Auch deswegen, weil die DDR-Bürger- und Bürgerinnen, auch jene, die mit der Stasi kooperiert haben und mit dem Staat identifiziert waren, an einem bedeutsamen Beispiel entdämonisiert werden. Was einen – dringend notwendigen – realistischeren Blick auf die DDR ermöglicht und hoffentlich bei vielen auch tatsächlich initiiert.
Das Kinopublikum erfährt sogar, bemerkenswerterweise ausgesprochen von einem Mitarbeiter der Gauck-Behörde: „Man kann auch Kommunist sein, ohne ein Schwein zu sein!“ In der Tat. Nur waren solche Sätze und solche Sichtweisen nach dem DDR-Anschluss zunehmend verpönt.

Ein wesentlicher Kritikpunkt bleibt: Die BRD wird in keiner Weise kritisiert. Die „Wende“ findet nicht statt, auch nicht als der traumatische Verlust, den sie für Gundermann darstellte. (Siehe dazu die Berliner Zeitung und die Junge Welt.) Letzteres schimmert nur einmal kurz durch, als der Gundermann-Darsteller Alexander Scheer, in der Bagger-Kanzel sitzend, ins Diktaphon spricht: „Ich bin ein Verlierer. Ich habe aufs richtige Pferd gesetzt. Aber es hat verloren.“
Wie es nach 1989 auch hätte weitergehen können, wenn dieses Pferd seine moralisch verschlisssenen Reiter und seine – nicht zuletzt psychosozialen – stalinistischen Altlasten konsequent abgeworfen hätte, lässt die  Kundgebung erahnen, die am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz stattfand: hundertausende DDR-Bürgerinnen und Bürger, die nicht an einem BRD-Anschluss interessiert waren, sondern an der sozialistischen Umgestaltung des eigenen Landes. Doch wie bald darauf klar wurde: Sie repräsentierten keinesfalls die Mehrheit in der DDR.

Gundermann hat die dann stattdessen erfolgte Ost-West-Vereinigung unter anderem in den Songs „Die Letzten werden die Ersten sein“ (1990) und „Krieg“ (1995) reflektiert.
In „Krieg“ singt er:

wir lagen uns gegenüber
die front war das meer
ich schickte dir bomben hinüber
und du welche her
von deinem schiff
hast du mir nachts nackte weiber gezeigt
da habe ich volkslieder dagegen gegeigt

ja so bruder so war der krieg
wer hatte uns den in die wiege gelegt
ja wir machten und brachten uns um
ich war voller hass
und wusste doch nicht mal warum

(…)

nun isses soweit wir haben zu zweit
wieder klar schiff gemacht
ich hab jetzt endlich ne richtige arbeit
und du jemand der sie dir macht
wenn das schiff schlingert machst du den finger
und ich mach den rücken krumm
du musst an die kegel ich muss in die segel
und da weiss ich wieder warum

darum bruder darum wird krieg
den ham wir uns jetzt vor die füsse gelegt
doch ich singe und bringe nicht um
obwohl ich nun wüsste warum

Also am besten: Zusätzlich zum Film die Gundermann-CDs hören und das neue, sehr informative und wunderbar gestaltete Buch über Gundermann von Andreas Leusink lesen.

 

Tipp zum Weiterhören:

2016 haben Tarek Al-Ubaidi und ich Gundermann eine 50-minütige Musikauswahl (plus Einführung) gewidmet: https://cba.fro.at/316274