Über den Schwachsinn künstlicher „Intelligenz“ – am Beispiel einer Nicht-Auskunft zu Wilhelm Reichs „Massenpsychologie des Faschismus“

von Andreas Peglau

Wilhelm Reich hat 1933 seine „Massenpsychologie des Faschsmus“ auch als Tarnausgabe gestaltet, um sie ins faschistische Deutschland zu schmuggeln, ein damals vielfach angewendetes Verfahren.
Das Ergebnis sah so von außen aus:

Zu Beginn hieß es dort: „Mit starker Hand hat der Nationalsozialismus unter Gottes Führung Materialismus und Bolschewismus, Individualismus und Liberalismus, überhaupt alles undeutsche und unchristliche aus unserm öffentlichen Leben hinweggefegt.“
Sobald man umblätterte, sprang einem freilich ein erstaunlicher Umbruch der Botschaft ins Auge:

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Dazu habe ich 2014 das veröffentlicht, unter anderem auf meiner Webseite: 

Der „Kreuz“-Verlag Marburg, in dem „Mystische Erhebung“ angeblich erschienen war, existierte nicht. Auch den Buchautor umhüllte ein Geheimnis. In den Akten der evangelischen Kirche hätte sich zwar ein Mann gleichen Namens finden lassen: der evangelische Missionar Friedrich Traub. Allerdings war dieser bereits am 8.2.1906, gerade 33jährig, im chinesischen Jiujiang an Typhus verstorben. Zuvor hatte der gebürtige Schwabe mehrere kirchliche Lieder verfasst, deren bekanntestes „Jesus lebet, Jesus sieget!“ hieß (Hägele S. 10ff.). Doch Bücher hatte er nie geschrieben.

Schon auf Seite zwei der Vorrede zu „Mystische Erhebung“ drängt sich zudem der Schluss auf, dass Traub nicht nur ein erstaunliches Nachleben, sondern auch schizophren anmutende Züge gehabt haben musste. Dem glühenden „rechten“ Bekenntnis schloss sich nämlich ein radikaler Gesinnungswandel an. Eingeleitet von der bereits leicht irritierenden Information, der Autor habe innerhalb von Arbeiterorganisationen gewirkt, wird die „Gottgesandtheit“ der NS-Führer durch Anführungsstriche hinterfragt, dann die von diesen zu „Untermenschen“ Abgestempelten als Träger der „Zukunft der Menschheit“ gewürdigt. Anschließend heißt es: „Wenn heute Millionen Schaffender dem Faschismus folgen, […] so besteht dennoch kein Grund zur Verzweiflung“. Damit nicht genug: „Hitler ist […] objektiv ein Volksbetrüger“, dem sein „Riesenerfolg […] den Ausbruch einer Geisteskrankheit erspart hat, die er in sich trägt […]. Der Nationalsozialismus ist unser Todfeind, aber wir können ihn nur schlagen, wenn wir seine Stärken richtig einschätzen und dies auch mutig aussprechen.“
In diesem Stil und mit diesem Inhalt ging es nun weiter, auf insgesamt 283 Seiten.
Was war geschehen? Die Leserinnen und Leser waren in Wirklichkeit auf den Text der „Massenpsychologie des Faschismus“ gestoßen, geschrieben von dem bekannten Psychoanalytiker, Sexualreformer und Kommunisten Wilhelm Reich!

Seitdem ist diese Tarnausgabe – wie auch meine Mitteilungen dazu – mehrfach im Internet zu finden, zum Beispiel bei archive.org.

Heute, am 18.9.25, teilte mir eine – von mir gar nicht gefragte – K“I“ dazu Folgendes mit:

„Mystische Erhebung. Ein Buch für junge Männer“ ist ein Buch des Pastors Friedrich Traub aus dem Jahr 1933, das auf dem Internet Archive verfügbar ist. Es ist ein religiöses Werk, das sich an junge Männer richtet und eine thematische Auseinandersetzung mit „Erhebung“ im mystischen Sinne bietet. Es ist keine Neuerscheinung, sondern ein historisches Buch, das zu seiner Zeit für junge Männer geschrieben wurde.

Weitere Informationen zum Buch:

  • Autor: Friedrich Traub
  • Erscheinungsjahr: 1933
  • Thema: Mystik, religiöse und moralische Erhebung für junge Männer
  • Verfügbarkeit: Das Buch ist digital auf dem Internet Archive verfügbar, wo eine Tarnausgabe des Buches zu finden ist.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Buch aus einer bestimmten historischen und religiösen Epoche stammt, weshalb der Inhalt und die Sprache möglicherweise nicht mehr dem heutigen Verständnis entsprechen

Auch wenn dort der Verweis auf den archiv.org-Beitrag enthalten ist: Die K“I“ hat ihn entweder nicht „gelesen“ oder nicht „verstanden“.
Die Antwort-Optionen: „Keine Ahnung“ oder „Ist mir zu hoch“ sind „ihr“ jedoch offenbar verweigert worden. Und so suggeriert „sie“ für alle Nicht-Eingeweihten – und wer kennt sich schon so detailliert mit Wilhelm Reich aus, um das zu durchschauen – wie üblich „ihr“ vermeintlich universelles Wissen und verkündet zu dem in Wirklichkeit von Reich stammenden Werk völligen Quark.
Dabei „verhält“ „sie“ sich wie ein Grundschüler, dem eine überfordernde Frage gestellt wurde und der daher nur Worte wiederholt und leicht variiert, die in der Frage bereits enthalten waren.
Das Einzige, was in „ihrer“ Auskunft stimmt, ist das Erscheinungsjahr. Sowie die Tatsache, dass das Buch aus einer bestimmten historischen und religiösen Epoche stammt. Wow – wer hätte das gedacht …
(Wobei: Was ist eine „religiöse Epoche“?)

 

Warum ist das überhaupt erwähnenswert?
Nicht wegen Wilhelm Reich.

Sondern weil es eines der vielen Beispiele ist, die zeigen, wie schwachsinnig und geistlos – im Wortsinne – Künstliche „Intelligenzen“ an sich sind. Wirken sie klüger, dann nur, weil sie durch tatsächliche, nämlich menschliche Intelligenz entsprechend gefüttert und eingewiesen wurden.
Sämtliche K“I“-Informationen und -Antworten sind deshalb grundsätzlich zumindest hinterfragenswürdig.
Auch jene, die die uns in dem Kram passen.

Selbst die schönste und neueste K“I“ ist nichts weiter als eine immer schnellere Rechenmaschine. In der Hand der falschen Leute – also dort, wo neue, teure Technik fast durchweg zuerst landet – ist sie natürlich dennoch äußerst gefährlich. Zum Beispiel wenn sie dringend notwendige zwischenmenschliche Kontakte, „Diplomatie“ durch Algorithmen ersetzen soll.
Und ebenso, wenn sie als zusätzliches Instrument systematischer Verblödung eingesetzt wird.

Natürlich kann eine K“I“ ihren Speicher erweitern, Irgendwann – zum Beispiel, falls „sie“ diesen Text zur „Kenntnis“ nehmen sollte,  wird „sie“ wahrscheinlich eine angemessenere Auskunft geben über Reichs Tarnausgabe. In diesem Sinne kann eine K“I“ „lernen.
Aber sie bleibt doof.

Das beste Buch zur geistigen und sonstigen Beschränktheit von K“I“ und „Transhumanismus“, das ich kenne, ist dieses:

Und wer sich auf ebenso unterhaltsame wie spannende Weise darüber informieren möchte, wie abhängig K“I“s von ihren menschlichen Schöpfern – inklusive deren psychischer Störungen – sind, dem empfehle die Erzählung „Ananke“ von Stanisław Lem.

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Tipp zum Weiterlesen: Eine kleine Sensation: Die Tarnausgabe von Wilhelm Reichs „Massenpsychologie des Faschismus“ (1933) ist aufgetaucht