„DDR-2.0“ und Friedensbewegung

von Andreas Peglau

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Meine These ist: Die momentane Schwäche der deutschen Friedensbewegung hängt auch zusammen mit einer verzerrten Sicht auf die DDR.

Um das zu erklären, ist ein Rückblick vonnöten.

1945 wurde in Deutschland bis hinein in CDU/ CSU diskutiert, Kapitalismus – als maßgebliche Basis von Faschismus und Krieg – abzuschaffen. Letzteres wurde im Westen sabotiert, im Osten verwirklicht, was permanente DDR-Diffamierung durch Westmedien- und -politiker auslöste.

1990 folgte eine kurze Phase, in der Westparteien Ossis umwarben, der DDR punktuell Positives zuerkannt wurde. Mit Wegfall des Systemkonkurrenten am 3.10.1990 erübrigte sich das. DDR-Verteuflung eskalierte zur Staatsräson, kontaminierte auch Auffassungen jener, die sich später gegen „Corona“-Regime und Kriegshetze auflehnen sollten: Vielfach ist von einer entstehenden „DDR 2.0“ die Rede.

Ja, in der DDR gab es manches, was in der BRD nun ebenfalls offensiv praktiziert wird: Gängelung, Überwachung, Mediengleichschaltung, Einschränkung der Meinungsäußerung. Zugleich hatte die DDR jedoch unbestreitbare Vorzüge gegenüber der BRD.
Hier eine unvollständige Liste:

– eine weitaus kontinuierlichere Friedenspolitik.

– keine Verdrängung (oder gar klammheimliche Verherrlichung wie in der BRD) des Angriffskrieges NS-Deutschlands gegen die Sowjetunion mit dessen bis zu 27 Millionen Opfern auf sowjetischer Seite.

– Verhinderung privatkapitalistischer Ausbeutung, damit jeglichen Profitinteresses an Rüstung. Den von den Werktätigen erarbeiteten Mehrwert eignete sich keine Elite an, auch nicht etwa das SED-Politbüro.

– weitaus konsequenterer Antifaschismus in Politik, Kultur und Alltag. Das führte dazu, dass – wie BRD-Forscher nachwiesen – bis Mitte der 1990er Jahre Ossis deutlich antifaschistischer tickten als Wessis.

– wesentlich ausgeprägtere Gleichberechtigung der Frauen.

– weitestgehende berufliche Chancengleichheit durch Überwindung bürgerlicher Bildungsprivilegien.

– keine materiellen Existenzsorgen, keine Obdachlosigkeit, keine Arbeitslosigkeit, kein Hunger, keine Armut, kein Konsumterror.

Trotz aller Defizite verkörperte die DDR also eine Alternative zur westlichen, ja ebenfalls nur vermeintlichen Demokratie, war sie der Beweis, dass es tatsächlich anders, in vielen Aspekten auch besser ging.
Bewusst oder unbewusst dürften jene Hunderttausende, die in den 1980er Jahren im Westen gegen Aufrüstung und Krieg demonstrierten – auch wenn sie sich nicht für „links“ hielten –, registriert haben: Der Kapitalismus mitsamt seinen zum Krieg tendierenden Mechanismen ist grundsätzlich abschaff- und ersetzbar. Das gestattete, sich Zukunftsvisionen auszumalen. Und genau das fehlt heute.

Seit um 1990 der „reale Sozialismus“ zusammenbrach, gelten revolutionäre Konzepte als obsolet, griffen Klosprüche um sich wie der vom „Ende der Geschichte“ oder „There is no alternative“.

Demonstriert wird daher aktuell vorwiegend GEGEN etwas. Das WOFÜR, das WOHIN-STATTDESSEN ging verloren oder ist oft auf Nostalgisches reduziert: „Es soll wieder sein wie vor 2020, als das Grundgesetz noch galt …“.

Aber die Würde von Menschen wurde in der BRD zu jeder Zeit angetastet, nicht erst seit den „Corona“-Lockdowns. Wer arm war, durfte schon immer unter Brücken pennen.

Zusammenfassung

Die von vielen verinnerlichte DDR-Verteufelung verhindert wahrzunehmen, dass dieser Staat 40 Jahre als ernstzunehmende Alternative zur BRD existierte. Das blockiert die Anerkennung der (in der DDR nur zum Teil verwirklichten) Vorteile sozialistischer, nichtkapitalistischer Politikansätze – insbesondere für eine nachhaltige Friedenssicherung.

Was wiederum dazu beiträgt, dass keine durchdachten Gegenentwürfe zum Bestehenden, keine plausiblen Zukunftsvisionen angeboten werden, welche die Massen mitreißen und wieder auf die Straße bringen könnten.

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Download als pdf.

Erstveröffentlichung in „Endlich Frieden: 100 Persönlichkeiten zeigen Zivilcourage“ (2025), S. 138-139.

 


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