Sein, Bewusstsein, „Klassenbewusstsein“ – und Unbewusstes. Karl Marx, Wilhelm Reich und die tatsächliche Rolle der Psyche

von Andreas Peglau

Anfang 2024 habe ich einen Beitrag zur „Grundfrage der Philosophie“  veröffentlicht und einen weiteren, in dem ich Wilhelm Reichs Schrift „Was ist Klassenbewusstsein?“ von 1934 vorstelle. Sie bauen zwar nicht direkt aufeinander auf. Aber sie ergänzen sich. Deshalb sind sie hier noch einmal zusammenhängend nachzulesen.
Der rote Faden ist: Die Vorstellungen von Karl Marx vom Bewusstsein – und damit sein Menschen- und Gesellschaftsbild – sind ausgesprochen korrekturbedürftig. 1933/34 hat Wilhelm Reich, zu dieser Zeit noch Kommunist und Marxist, wesentliche dieser Korrekturen vorgenommen. Einige seiner damaligen Erkenntnisse können helfen, die aktuelle politische Situation in der BRD zu verstehen, vielleicht auch positiv zu beeinflussen. Denn sie zeigen: Wir sind keinesfalls passiv-hilflose Marionetten unserer Gesellschaft, wir gestalten sie stattdessen mit – nur leider in hohem Maße unbewusst und entgegen unserer Lebensinteressen.

 

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Die Mehrzahl lebt ihr unterjochtes Dasein unbewusst… Wilhelm Reichs Weiterführung der „Massenpsychologie des Faschismus“ im Jahr 1934

von Andreas Peglau

 

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1933 war der aus Deutschland geflüchtete Wilhelm Reich aus den kommunistischen und den psychoanalytischen Organisationen ausgeschlossen worden und hatte im dänischen Exil die Massenpsychologie des Faschismus[1] veröffentlicht. 1934 begann er mit der Herausgabe der Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie.[2] Dort erschien auch sein, unter dem Pseudonym „Ernst Parell“ verfasster Aufsatz „Was ist Klassenbewusstsein?“, den er zusätzlich als 72-seitige Broschüre drucken ließ.[3]

Anknüpfend an die Massenpsychologie wollte Reich hier, so der Untertitel, einen „Beitrag zur Neuformierung der Arbeiterbewegung“ leisten – welche nach der nationalsozialistischen Machtübernahme und Zerschlagung der „linken“ Organisationen in Deutschland zwingend nötig geworden war. Dazu müssten, meinte Reich, jene Fehler der „Linken“ analysiert werden, die diese Machtübernahme begünstigt hatten. Neben dem Torpedieren einer antifaschistischen Einheitsfront stellte er insbesondere das anhaltende „Unverständnis vieler Wirtschaftspolitiker für psychologische Fragestellungen überhaupt“ [4] in den Vordergrund:

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Das Sein bestimmt das Bewusstsein? Vier Einwände gegen die Antwort, die Karl Marx auf die „Grundfrage der Philosophie“ gab.

von Andreas Peglau

Lew Kerbels Denkmal, 1971 eingeweiht in Karl-Marx-Stadt, heute wieder Chemnitz (Foto A.P.)


Ich halte viele der Erkenntnisse von Karl Marx und Friedrich Engels für unverzichtbar, um ausbeuterisch-unterdrückende Systeme, insbesondere das kapitalistische zu begreifen und durch eine bessere Gesellschaftsordnung zu ersetzen. Gerade deshalb lohnt es sich, jene Dimension hinzuzufügen, um die Marx und Engels weitgehend einen Bogen machten:[1] die psychosoziale.
Dass auch im „realen Sozialismus“ das angemessene Einbeziehen dieser Dimension unterblieb, hat maßgeblich zu dessen Scheitern beigetragen. Konzepte für künftige soziale Umwälzungen werden ebenfalls nur in dem Maße umsetzbar sein, wie ihnen ein ganzheitlicher Blick zugrunde liegt – also ein Blick, der auch über Marx und Engels deutlich hinaus geht.
Wie ich mir ein Anknüpfen an Marx vorstelle, das ohne dessen thematische Selbstbeschränkungen auskommt, will ich an einem einzigen, allerdings bedeutungsschweren Satz zeigen. Dabei habe ich nicht den Anspruch, etwas als erster zu formulieren, sondern nur, meine Sicht zusammenzufassen. [2]
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Alexander Neills SUMMERHILL-Projekt. Hörbuch kostenlos herunterladen und anhören

Dresden-Hellerau, Festspielhaus. In diesem Gebäude startete A.S. Neill 1921 sein Schulprojekt (Foto: Gudrun Peters)

Alexander Sutherland Neill wurde 1883 geboren. Zwei Jahre nachdem er in Dresden-Hellerau sein erstes Schulprojekt ins Leben gerufen hatte, erfolgte 1923 eine Neugründung in Südengland, in einem Haus, das den schönen Namen „Summerhill“ trug: Sommerhügel.
Diesen Namen nutzte Neill dann auch beim endgültigen Umzug nach Suffolk.
1973 ist Neill gestorben, kurz vor seinem 90. Geburtstag.

Das Summerhill-Projekt, inzwischen geleitet von Neills Tochter Zoё Neill Readhead, ist noch immer sehr lebendig. Es steht für:

– die freie Entfaltung von Kindern,
– ein nicht-autoritäres Erziehungs- und Bildungskonzept mit Schüler-Selbstregierung,
– das uns angeborene Potential, liebevolle und friedfertige Wesen sein zu können und sein zu wollen.

Gerade Letzteres kann in einer Zeit, in der diverse politische Akteure und Medien wieder einmal „zu den Waffen!“ rufen, gar nicht intensiv genug betont werden. Weiterlesen

Global Empathy – Thomas Harms im Gespräch mit Andreas Peglau

Thomas Harms, Psychologe, Therapeut und Leiter des Bremer Zentrums für Primäre Prävention und Körperpsychotherapie hat am 26. November ein Gespräch (1 Stunde, 13 Minuten) mit mir geführt und es in seiner Reihe „Global Empathy“ veröffentlicht.
Es geht um Wilhelm Reich, vor allem um die „Massenpsychologie des Faschismus“, am Ende auch ein wenig um A.S. Neill und Summerhill und um das Thema „Menschenbilder“.

Hier lässt es sich bei spotify anhören:

 

 

 

Hier eine weitere Möglichkeit zum Hören: Apple Podcast.

 

Was die Massen zum Faschismus treibt. Ein Beitrag für das Journal JACOBIN

von Andreas Peglau

Vor 90 Jahren, im Spätsommer 1933, erschien Wilhelm Reichs Klassiker »Massenpsychologie des Faschismus«. Das Buch war sein Versuch, die Anziehungskraft der Nazi-Ideologie zu erklären und gleichzeitig einen blinden Fleck der marxistischen Gesellschaftstheorie auszufüllen.

 

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Interview zu „Sind wir geborene Krieger?“ bei Radio Corax

Am  20.7.23 sendete das Hallenser „Radio Corax“ ein 15-minütiges Interview, das Jan Ermentraut dazu mit mir geführt hat.

 

 

Hier kann es gehört werden (nach der knapp zweiminütigen Anmoderation):

 

Are We Born Warriors?

The Psychosocial Preconditions of Peacefulness and Destructiveness

by Andreas Peglau[1]

 

Here you will find a more detailed, expanded and updated version of this article, which was published on May 14, 2025.


What follows is an edited version of a lecture, held on June 30, 2023, for the lecture series “Psychological Anthropology: Militarism and War” at the University of Cologne. The following English text is based on a translation done by DeepL Translate, as corrected and revised by Stephen A. Cooper. Weiterlesen

Sind wir geborene Krieger? Zu psychosozialen Voraussetzungen von Friedfertigkeit und Destruktivität

Vortrag, gehalten am 30.6.2023 innerhalb der Vorlesungsreihe „Psychologische Anthropologie: Militarismus und Krieg“ an der Universität zu Köln (bearbeitetes Manuskript)

von Andreas Peglau[1]

Hier kann der Text als pdf heruntergeladen werden.

PS: Seit Mai 2025 existiert davon auch eine aktualisierte, vertiefte, ergänzte Fassung:
Wir sind keine geborenen Krieger. Zu psychosozialen Voraussetzungen von Friedfertigkeit und „Kriegstüchtigkeit“.

*

Was ist Krieg?

Ein organisierter, gewaltsam und mit Waffen ausgetragener Konflikt zwischen Staaten oder größeren Gruppen von Menschen. Krieg zu führen bedeutet in jedem Fall, bereit zu sein, andere Menschen zu töten.
Wären wir „geborene Krieger“, würde die Bereitschaft, andere Menschen ohne Gewissensbisse zu verletzten und zu vernichten, zu unserer seelischen Grundausstattung gehören. Wir würden damit auf die Welt kommen.
Das müsste sich daher auch lebenslang irgendwie zeigen – und zwar im Prinzip schon immer und überall, seit es Menschen gibt. Weiterlesen

Mensch, Mensch – brauche ich ein Vorbild? DT-64-Sendung vom 5.10.1988

Dass in dieser Sendung Jugendliche u.a. erzählten, Ernst Thälmann könne für sie kein Vorbild sein, weil es einen so fehlerlosen Menschen doch gar nicht gegeben haben könne, wurde damals von einer Westberliner Zeitung zustimmend aufgegriffen. Das führte dazu, dass alle Rundfunkabteilungen sich diese Sendung anhören mussten, um sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen und trug dazu bei, dass meine Chefin strafversetzt wurde. Dass mir der Rauswurf aus dem DDR-Rundfunk erspart blieb, lag wohl nur nur an der Prominenz meines damaligen Gesprächspartners Reiner Werner.

Länge: 52 Minuten

Tipp zum Weiterhören:

„Mensch du“, „Mensch, Mensch“, „Menschenskinder“ und „Stand up“: Hans-Joachim Maaz im Gespräch mit Andreas Peglau bei Jugendradio DT 64