Archiv der Kategorie: Interviews und Gespräche

Altes Denken löst keine neuen Probleme. Der Demograph Parviz Khalatbari, befragt von Andreas Peglau (1995)

Zu Ursachen und Wirkungen von Flüchtlingsströmen, globalen Veränderungen in Bevölkerungswachstum- und verteilung.

„Das Grundübel unserer Welt ist ihre Polarisierung!
Die Wurzeln dafür liegen in der Industriellen Revolution und dem Kolonialismus: An einem Pol konzentrierten sich Industrie und Reichtum, der andere Pol lieferte Rohstoffe und hier konzentrierten sich Armut und Rückständigkeit. (…)
Ich teile also die Meinung, daß spätestens unsere Nachkommen Massenwanderungen unbekannten Ausmaßes erleben werden. Und das wird kaum friedlich ablaufen.“
Parviz Khalatbari, 1995

 

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Gewalt und Kindheit. BRD heute – aus der Sicht eines „Kinderschützers“. Andreas Peglau im Gespräch mit Georg Kohaupt, Kinderschutz-Zentrum Berlin-Hohenschönhausen (1995)

A.P.: Herr Kohaupt, Sie haben seit 1983 in Westberliner Einrichtungen des Kinderschutz-Zentrums gearbeitet, seit 1991 in Berlin-Hohenschönhausen, im Ostteil der Stadt. Welche Erfahrungen machen Sie in ihrer Arbeit mit der Gewalt gegen Kinder? Wovon hängt es ab, wie gewaltfrei oder gewalttätig erzogen wird?

Kohaupt: Eltern, die zu uns kommen, weil sie ihre Kinder mißhandeln, sind in der Regel selbst als Kinder mißhandelt worden. Das ist allerdings kein Automatismus: Man muß nicht mißhandeln, weil es einem selbst so ergangen ist. Weiterlesen

„Nackt unter Wölfen“ oder „Wolf unter Wölfen“? Andreas Peglau im Gespräch mit dem Psychoanalytiker und ehemaligen „Buchenwald“-Häftling Ernst Federn

Zum „offiziellen Märchen“ und den tatsächlichen Verhältnissen im Weimarer Konzentrationslager und zur Gewalt innerhalb der Häftlingsgesellschaft.

Ernst Federn 1990 (Quelle Wikimedia Commons, Lizenz CC-BY-SA 3.0)

Ernst Federn 1990 (Quelle Wikimedia Commons, Lizenz CC-BY-SA 3.0)

Ernst Federn wurde 1914 in Wien geboren. Er war jüdischer Herkunft. Sein Vater, Paul Federn, war einer der engsten Vertrauten und Mitarbeiter Sigmund Freuds, was frühzeitig Einfluß auf die Entwicklung des Sohnes nahm.
Ernst Federn stand schon als Student der Rechts- und Staatswissenschaften den Ideen Leo Trotzkis nahe und wurde zum Mitbegründer der österreichischen Sektion der 4. Internationale. 1936 kam er zum ersten Mal für 4 Monate ins Gefängnis, weil er sich am Widerstand gegen den auch in Österreich aufkommenden Faschismus beteiligt hatte. Weiterlesen

Psychoanalytische Sozialarbeit: Helfen und nicht Heilen. Andreas Peglau im Gespräch mit dem Psychoanalytiker Stephan Becker

Über Möglichkeiten, psychisch schwer gestörten Kindern und Jugendlichen zu helfen und Grenzen sozialer Arbeit.

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A.P.: Meiner Meinung nach ist im alltäglichen Leben der Bundesrepublik von psychoanalytischem Gedankengut nicht viel zu spüren – was für mich übrigens eine ziemliche Enttäuschung nach der „Wiedervereinigung“ war. Zumal sich doch offenbar gerade nach 1968 auch in der BRD deutlich gezeigt hat, daß Psychoanalyse weit mehr ist als eine bloße Behandlungsmethode, daß sie auch eine Weltanschauung mit gesellschaftsveränderndem Potential ist. Inzwischen scheint sich ihr Einfluß für meine Begriffe wieder viel zu sehr auf therapeutische Sprechzimmer zu beschränken. Weiterlesen

Paradiesische neun Monate? Andreas Peglau im Gespräch mit dem Psychoanalytiker Ludwig Janus zu vorgeburtlichen Prägungen

Über die Realität unserer allerersten Erfahrungen und deren, nur zu Teilen vermeidbare, Konsequenzen.

 

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A.P.: Nach 100 Jahren Psychoanalyse kann man Zusammenhänge zwischen Lebensgeschichte, Charakter und Verhalten als ziemlich gesichert annehmen. Die pränatale Psychologie bleibt allerdings nicht stehen bei dem prägenden Einfluß der frühen Kindheit, sondern behauptet, die Geburt selbst und sogar die 9 Monate davor sind mindestens ebenso wichtig. Womit läßt sich das belegen?

Janus: Die pränatale Psychologie ist noch recht jung und daher auch zum Teil auf vorläufige Annahmen angewiesen. Gleichzeitig baut sie aber auf vielen wissenschaftlich gesicherten Fakten auf. Weiterlesen

Jeder hat den Partner, den er verdient. Hans-Joachim Maaz, befragt von Andreas Peglau

Zu unbewussten Gründen von Partnerschaftskonflikten, Kollusionen in Zweier- und gesellschaftlichen Beziehungen und möglichen Auswegen.

 

Hans-Joachim Maaz und Andreas Peglau, 2002 in Halle/Saale

Hans-Joachim Maaz und Andreas Peglau, 2002 in Halle/Saale (Foto: Ulrike Gedeon-Maaz)

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Schlüssel und Schloss

A.P.: Jeder hat den Partner, den er verdient – würden Sie diesen Satz so wie er ist unterstreichen, oder halten Sie ihn doch eher für übertrieben?

Maaz: Das ist für mich schon eine gute Methapher, weil sich da eine tiefe Wahrheit ausdrückt, die in vielen Partnerschaften zum Ausdruck kommt. Bei den Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe, ist das immer so. Dieser Satz hat ja auch etwas Negatives: daß sich Menschen zusammenfinden, die etwas Belastendes, Störendes miteinander austragen – beziehungsweise gerade davon in der Beziehung festgehalten werden. Weiterlesen

Arbeitslosigkeit – Frust oder Chance? Hans-Joachim Maaz, im März 1991 befragt von Andreas Peglau

Über Arbeitslosigkeit als eine für Ex-DDR-Bürgerinnen und -Bürger ganz neuartige Erfahrung.

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A.P.: In der DDR konnte man zwar auch auf verschiedene Art und Weise von der Gesellschaft ins Abseits gestellt werden, aber zumindest irgendeine Art von Arbeitsplatz war den meisten relativ sicher. Diese massenhafte und auch begründete Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist also für uns Ex-DDR-Bürger etwas Neues. Schlägt sich diese Tatsache in der Therapie nieder, klagen Patienten über entsprechende Ängste vor Arbeitslosigkeit? Oder führt sie vielleicht sogar die Angst davor in die Therapie, kommen sie zum Psychotherapeuten und sagen: Diese Angst, meinen Arbeitsplatz zu verlieren, macht mich krank? Weiterlesen